Schadensersatz
Morddezernat des einundzwanzigsten Bezirks. Ich schloss umständlich auf und probierte ein sonniges Lächeln.
»Morgen, Bobby. Was für eine nette Überraschung!«
»Guten Morgen, Vicki. Entschuldige, dass wir dich aus dem Bett werfen«, meinte Mallory mit gezwungener Heiterkeit.
»Keine Ursache, Bobby. Ich freue mich immer, wenn du kommst.« Bobby Mallory war der engste Freund meines Vaters auf dem Revier gewesen. Sie hatten in den dreißiger Jahren gemeinsam als Streifenpolizisten begonnen, und Bobby hatte Tony nicht vergessen, selbst dann nicht, als ihn seine Beförderungen Vaters Arbeitsbereich entrückten. Gewöhnlich bin ich am Erntedankfest bei ihm und Eileen, seiner warmherzigen und mütterlichen Frau, sowie ihren sechs Kindern und vier Enkelkindern zum Essen eingeladen.
Im Allgemeinen versucht Bobby, meine Arbeit zu ignorieren - zumindest meine Detektivarbeit. Er sah mich nicht direkt an, sondern blickte an mir vorbei. »Das ist Sergeant John McGonnigal«, erklärte er in herzlichem Ton, wobei er eine vage Armbewegung in McGonnigals Richtung vollführte. »Wir würden gern hereinkommen und dir ein paar Fragen stellen.«
»Bitte«, sagte ich höflich und wünschte, meine Haare würden nicht so ungepflegt um meinen Kopf hängen. »Freut mich, Sie kennen zu lernen, Sergeant. Ich bin V. I. Warshawski.«
McGonnigal und ich schüttelten uns die Hände, und ich trat zurück, um sie in den kleinen Windfang eintreten zu lassen. Der Korridor dahinter führte direkt zum Bad, Schlafzimmer und Wohnzimmer lagen rechts und Esszimmer und Küche links davon. Morgens kann ich also immer gleich vom Schlafzimmer ins Bad und dann in die Küche taumeln.
Ich führte Bobby und McGonnigal in die Küche und setzte Kaffee auf. So ganz nebenbei streifte ich ein paar Krümel vom Küchentisch und kramte im Kühlschrank nach Pumpernickel und Cheddarkäse. Hinter meinem Rücken äußerte Bobby: »Räumst du diese Rumpelkammer denn nie auf?«
Eileen ist eine fanatische Hausfrau. Würde sie sich nicht am Anblick von Menschen beim Essen ergötzen, so bekäme man in ihrem Haushalt vermutlich niemals einen schmutzigen Teller zu Gesicht. »Ich hatte zu tun«, sagte ich, um Würde bemüht, »und eine Haushälterin kann ich mir nicht leisten.«
Mallory sah sich angewidert um. »Weißt du, wenn dich Tony häufiger übers Knie gelegt hätte, statt dich so fürchterlich zu verziehen, dann wärst du jetzt eine zufriedene Hausfrau und würdest nicht Detektiv spielen und uns unsere Arbeit erschweren.«
»Aber ich bin doch glücklich als Detektivin, Bobby, und als Hausfrau war ich unmöglich!« Das entsprach den Tatsachen. Ein kurzer Abstecher in die Ehe vor acht Jahren hatte nach vierzehn Monaten mit der Scheidung geendet. Manche Männer können eben unabhängige Frauen nur aus der Ferne bewundern.
»Detektiv ist kein Beruf für ein Mädchen wie dich, Vicki - es ist etwas anderes als Sport und Spiel. Das habe ich dir schon hundertmal gesagt. Und jetzt bist du sogar in einen Mord verstrickt. Zuerst wollten sie Althans herschicken, um mit dir zu reden, aber ich brachte meine Position ins Spiel, um den Fall selbst zu übernehmen. Du musst dich aber trotzdem äußern. Ich hätte gern gewusst, was du bei dem jungen Thayer zu suchen hattest.«
»Dem jungen Thayer?«, wiederholte ich.
»Komm, werd erwachsen, Vicki«, riet mir Mallory. »Dieser mit Drogen vollgepumpte Typ vom zweiten Stock, mit dem du dich auf dem Weg in Thayers Wohnung unterhalten hast, hat eine ziemlich gute Beschreibung von dir gegeben. Drucker hat deine Meldung entgegengenommen; nachdem er die Beschreibung hatte, meinte er gleich, es könne deine Stimme gewesen sein ... Außerdem hast du noch einen Daumenabdruck auf dem Küchentisch hinterlassen.«
»Ich war ja schon immer der Meinung, dass sich Verbrechen nicht lohnen, Bobby. Wollt ihr Jungs Kaffee oder ein Ei oder sonst was?«
»Wir haben schon gefrühstückt, du Witzbold. Die arbeitenden Bevölkerungsschichten können nicht so lange im Bett bleiben wie Dornröschen.«
Wie ich mit einem Blick auf die Uhr neben der Tür feststellte, war es erst zehn Minuten nach acht. Kein Wunder, dass ich einen Wattekopf hatte. Fein säuberlich schnitt ich Käse, grünen Paprika und Zwiebeln, verteilte alles auf dem Pumpernickel und schob den Sandwich unter den Grill. Während ich dastand und darauf wartete, dass der Käse schmolz, wandte ich Bobby und dem Sergeant den Rücken zu; sodann hob ich das Ganze auf einen Teller und goss mir
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