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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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geheiratet habe -
    manchmal glaube ich, weil er das angelsächsische Establishment repräsentierte und weil ich mir im Grunde meines Herzens wünschte dazuzugehören. Für jemanden wie mich war Dick als Partner jedoch eine echte Katastrophe. Er war damals Anwalt in der Sozietät Crawford & Meade, einer bedeutenden und renommierten Kanzlei, falls du sie nicht kennen solltest; ich arbeitete als diensteifrige junge Pflichtverteidigerin bei der Staatsanwaltschaft. Wir sind uns auf einer Konferenz der Anwaltskammer begegnet. Dick war der Meinung, sich in mich verliebt zu haben, weil ich so selbstständig war - doch im Nachhinein kam ich zu dem Schluss, dass er meine Selbstständigkeit anscheinend als Herausforderung betrachtet hatte, und es ärgerte ihn, dass er sie mir nicht abgewöhnen konnte.
    Bei meiner Arbeit als Pflichtverteidigerin verlor ich bald sämtliche Illusionen. Die ganze Institution ist ziemlich korrupt. Man kämpft niemals für die Gerechtigkeit, sondern debattiert nur um Gesetzesparagrafen.
    Ich wollte damit nichts mehr zu schaffen haben, obwohl mir immer noch eine Aufgabe vorschwebte, die mir die Genugtuung gab, dass ich meinem Gerechtigkeitsprinzip folgte und nicht nur im Paragrafendickicht Punkte sammelte. Ich trat als Pflichtverteidigerin zurück und überlegte, was ich nun machen sollte. Da bat mich ein junges Mädchen, ihren Bruder zu verteidigen, der wegen Diebstahls angeklagt war. An seiner Schuld schien es keinen Zweifel zu geben - die Anklage warf ihm den Diebstahl von Videogeräten aus den Räumen eines großen Fernsehstudios vor; er hatte nicht nur Gelegenheit zum Stehlen, sondern auch Zugang zu den Räumlichkeiten etcetera; trotzdem übernahm ich den Fall. Ich konnte seine Unschuld beweisen, indem ich den Schuldigen überführte.«
    Ich trank noch einen Schluck Wein und stocherte in meinem Lachs herum. Ralphs Teller war bereits leer, doch er winkte dem Kellner ab: »Warten Sie, bis die Dame fertig ist.«
    »Ja und die ganze Zeit wartete Dick darauf, dass ich mich endlich mit meiner Rolle als Hausfrau zufrieden geben würde. Er war mir eine echte Hilfe gewesen, als ich mich zu der En tscheidung durchrang, meinen Posten bei der Staatsanwaltschaft aufzugeben; allerdings stellte sich heraus, dass er gehofft hatte, ich würde dann zu Hause schön bescheiden bereitstehen, um ihm Beifall zu klatschen, wenn er die juristische Erfolgsleiter Sprosse für Sprosse erklomm. Als ich den Fall übernahm - der zum damaligen Zeitpunkt für mich eigentlich gar kein >Fall< war, denn ich wollte lediglich der Frau, die das junge Mädchen an mich verwiesen hatte, einen Gefallen tun ...« (Es war Lotty gewesen.) Ich hatte schon seit ewigen Zeiten nicht mehr an die Sache gedacht und musste lachen. Ralph sah mich fragend an. »Nun, ich nehme meine Verpflichtungen sehr ernst, und ich fand mich schließlich eines Nachts auf einem Ladekai wieder, wo ich bis zum Morgen blieb. Das war der eigentliche Wendepunkt in dieser Sache. Am selben Abend gab nämlich die Sozietät Crawford & Meade eine riesige Cocktailparty, zu der auch die Frauen eingeladen waren. Ich trug bereits mein Cocktailkleid, weil ich dachte, ich könnte mich nur mal rasch unten an den Kais umsehen und dann auf der Party erscheinen, aber die Nacht verging, und Dick konnte es nicht verwinden, dass ich ihn versetzt hatte. Wir trennten uns. Es war katastrophal - aber wenn ich daran zurückdenke, erscheint mir der Abend so komisch, dass ich lachen muss.«
    Ich schob den Teller zur Seite. Den Fisch hatte ich nur zur Hälfte gegessen; mein Appetit war nicht besonders groß gewesen. »Mein Problem ist, dass ich im Moment wohl ein bisschen kleinmütig bin. Es gibt Tage, an denen ich mir wünsche, ich hätte ein paar Kinder und könnte ein gutbürgerliches Familienleben führen. Aber weißt du, das ist ja auch so ein Märchen. Ganz wenige leben wie im Bilderbuch, in immer währender Eintracht, im Wohlstand und so weiter. Und ich weiß, dass ich das Märchen möchte, nicht die Realität. Es ist nur - mir kommen manchmal Zweifel, ob ich die richtige Wahl getroffen habe oder - ich weiß nicht so recht, wie ich es ausdrücken soll. Vielleicht wäre ich zu Hause bei den Fernsehschnulzen besser aufgehoben, vielleicht habe ich mir mein Leben nicht optimal eingerichtet. Und wenn mir dann auch noch andere Leute so etwas einzureden versuchen, reiße ich ihnen förmlich den Kopf ab.«
    Ralph fasste über den Tisch weg nach meiner Hand und drückte sie. »Ich finde dich

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