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Schadenzauber (German Edition)

Schadenzauber (German Edition)

Titel: Schadenzauber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Atir Kerroum
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Inken aufs Deck spucken. Langsam ging das Delta ins Meer über. Aus dem sanften Schwanken der Inken wurde ein regelrechtes Stampfen. Plötzlich zerteilte der hohe Bug einen Wellenberg und Otto spritzte die Gischt ins Gesicht. Sie waren auf dem offenen Meer! Erschrocken tastete sein Blick nach dem Schöpfeimer. Doch nicht um zu schöpfen.
    „Seekrank?“, fragte ein Matrose.
    „Nein“, antwortete Otto. Er war nicht seekrank; es war nur die Angst.
    „Zauberer!“, rief ihn Udalfried. „Ich könnte jetzt ein bisschen Südostwind gebrauchen! Südsüdost, um genau zu sein.“
    Otto nickte und nahm seine Schiefertafel. Die halbe Nacht hatte er an den Zauberformeln gesessen und sie aufgeschrieben, eine für jede Windrichtung. Er las die gesuchte Formel noch einmal durch, vergegenwärtigte sich ihre Wirkung, konzentrierte sich und murmelte den Zauberspruch. Nichts geschah. 
    „Und, was ist, Herr Zauberer?“, fragte Udalfried ungeduldig. „Ich habe Südostwind bestellt! Wir wollen nach Britannien! Ihr nicht?“
    „Es... kann etwas dauern, bist der Wind kommt.“
    „Aber hoffentlich nicht zu lange, wir segeln nämlich gerade in Richtung... ah, ich glaube, es tut sich was.“
    Der Westwind ließ nach und erstarb. Windstille kehrte ein. Das Segel hing schlaff vom Mast. Träge hob und senkte sich das Schiff in der Dünung. 
    „War das alles?“
    „Vorher ging’s zwar in die falsche Richtung, aber es ging voran“, beschwerte sich ein Matrose.
    Als Antwort darauf kam schlagartig der Wind und ließ das Segel flattern. „Aha!“ Udalfried lehnte sich ins Steuerruder. Unter dem neuen Kurs blähte sich das Segel. Die steife Brise wehte aus Südsüdost und wurde jede Sekunde stärker. Die Inken segelte vor dem Wind in einem Tempo, dass Otto Hören und Sehen verging. Sie flogen über das Wasser. Der Bug peitschte über die vom Wind aufgesteilten Wellenkämme, und die kalte Gischt fegte über das Deck. Udalfried schickte einen Matrosen zum Bug und ließ sich von einem anderen am Steuerruder ablösen. Auf ein Zeichen warf der Mann am Bug ein bleibeschwertes Holzbrett an einer Schnur ins Wasser. Udalfried stand am Heck und zählte die Pulsschläge, bis der Schwimmer am Schiff vorbei getrieben war. Das Log wurde wieder eingeholt.
    „Haha!“, lachte Udalfried zufrieden. „Fünfzehn Knoten, vielleicht sogar sechzehn! Das ist guter Stoff, Zauberer! So macht Segeln Spaß!“
    Von Spaß konnte bei Otto keine Rede sein. Er kauerte sich in eine Ecke hinter der Bordwand und versuchte an alles außer an Seefahrt zu denken. Er wollte das tiefschwarze Wasser nicht sehen und er wollte auch den hohen Mast nicht sehen, dessen Anblick ihn schwindeln und die Knie erweichen ließ. 
    „Wenn das Lüftchen anhält, dann sind wir in zwölf Stunden in Britannien!“, rief Udalfried. „Noch vor Sonnenuntergang! Das gab’s noch nie!“
    Zwölf Stunden also, dachte Otto. Noch zwölf Stunden. Er entdeckte, dass es im hinteren Drittel des Schiffs einigermaßen trocken blieb. Vorsichtig kletterte er nach achtern und setzte sich, lehnte sich an die Bordwand. Die Inken durchpfeilte die See. Nur zwölf Stunden noch, dachte Otto, nur zwölf Stunden durchhalten!
    Ansoalda schien in ihrem Element zu sein. Sie stand im Bug. Wie eine Galionsfigur ritt sie mit der Inken über Wellenberge und durch die Wellentäler. Malwin hatte sie aus seiner Tasche heraus geholt, aber Otto war sich nicht sicher, ob dem Prinzen die frische Luft überhaupt zusagte. Die Krötengestalt versuchte ganz offensichtlich, in die Tasche zurück zu gelangen. Ansoalda musste ihm gut zureden: „Habt keine Angst“, bat sie sanft, „ich weiß, dass es nicht einfach für Euch ist, aber Ihr könnt diesem Schiff und diesen Männern vertrauen. Ich verspreche Euch, dass Euch nichts geschehen wird.“
    Die Süßholzraspelei brachte Otto in Rage. Warum wurde der Prinz mit Samthandschuhen angefasst, während Otto sich als Memme und Feigling in die Ecke stellen lassen musste? 
    Ein Matrose kroch mit einem schaufelähnlichen Gefäß, das er Otto gegenüber Ösfass nannte, unter die Deckplanken und schöpfte Wasser aus der Bilge. Ein Ösfass, zählte Otto. Zwei Ösfässer. Drei Ösfässer. 
    Otto bekam es mit der Angst zu tun. „Hat das Schiff ein Leck?“, fragte er.
    „Ach, nein, überhaupt nicht“, gab der Matrose zurück. Er kletterte aus der Bilge heraus und verschloss das Deck wieder.
    „Und woher kommt dann das Wasser, das Ihr gerade ausgeschöpft habt?“
    Der Matrose grinste.

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