Schadenzauber (German Edition)
entledigte und dann ebenfalls im Wasser verschwand.
Otto klammerte sich weiterhin an der Bordwand fest. Er wollte nicht sterben. Die nächste Welle rollte über das vollgelaufene Schiff hinweg. Erst jetzt bemerkte Otto, dass Udalfried noch an Bord war und ihn anbrüllte.
„Schwimm!“
„Nein!“ Otto zitterte und starrte in die weiße Brandung. Seine Fingernägel gruben sich ins nasse Holz. Udalfried schlug ihm ins Gesicht und warf ihn dann kurzerhand über Bord. Otto hörte noch, wie der Schiffsführer hinterher sprang, dann verlor Otto ihn aus den Augen. Sobald er im Wasser trieb, war Ottos Lähmung verschwunden. Er paddelte so gut er konnte. Eine weiße Wasserwand kam auf ihn zu. Er wurde herumgewirbelt und tief unter Wasser gedrückt. Mit der Fußspitze berührte er harten Sand und schoss wieder an die Wasseroberfläche. Er hustete Salzwasser und streifte sich die Schuhe von den Füßen. Auch die Kleider behinderten ihn beim Schwimmen, aber ihrer konnte er sich nicht entledigen. Ansoalda hatte völlig richtig gehandelt, ohne Obergewand ins Wasser zu springen.
Die Brandung trieb ihn auf das Ufer zu. Die nächste Welle passte er rechtzeitig ab. Er tauchte sicher unter ihr hinweg und schwamm weiter. Irgendjemand rief. Otto erkannte nichts in der Dunkelheit und er verstand auch nichts im Tosen der Brandung, aber er antwortete mit einem Ruf und schwamm weiter.
Es war bald flach genug, dass er gerade so stehen konnte. Die Wellen brandeten über ihn hinweg. Doch wenn das Wasser zurückflutete, zog es ihn wieder hinaus ins Tiefe. Er merkte, wie seine Kräfte schwanden. Mit wachsender Verzweiflung kämpfte Otto gegen die mörderische Strömung.
Er hörte eine Stimme. Ganz in der Nähe. „Hier bin ich!“, gurgelte Otto, als er von einer Welle überrollt wurde, „hier bin ich!“
„Halte aus! Ich komme!“
Es war Heribert, und er kam ihm entgegen, vom Strand her.
Heribert war einen ganzen Kopf größer als Otto, bärenstark und ein hervorragender Schwimmer.
Er fasste Otto am Kragen, um ihn nicht zu verlieren. Heriberts Oberkörper war nackt.
„Wir müssen uns an die Wellen anpassen!“, rief er. „Wenn ich los sage, dann stößt du dich ab in Richtung Strand. Los!“
Die Welle kam. Sie stießen sich ab und wurden mitgerissen. Nach mehreren Metern flutete das Wasser zurück. Heribert stand wie ein Fels in der Brandung und hielt Otto fest. Die nächste Welle kam, und nach wenigen Metern stand Otto das Wasser noch bis zur Brust und er hatte sicheren Grund.
Schließlich reichte ihm das Wasser nur noch bis zu den Knöcheln und dann waren sie ganz aus dem Wasser heraus. Die Beine versagten ihren Dienst vor Erschöpfung. Otto ließ sich in den kalten Sand fallen. Er war dem Tod von der Schippe gesprungen.
„Hier!“, rief Heribert. „Wir sind hier!“
Es war pechschwarze Nacht am Strand, einzig die Sterne schienen. Nach und nach trafen die anderen Schiffbrüchigen ein. Ansoalda fehlte. Und mit ihr Malwin.
Otto rechnete mit dem Schlimmsten. Alles war seine Schuld. Er fühlte sich elend und zitterte in seinen nassen Kleidern. Er zog sie aus.
Udalfried ließ unter lautem Rufen das Ufer absuchen. Er selbst blieb bei Otto zurück. Otto fürchtete, Udalfried würde ihm nun seine Meinung sagen. Die, die er verdiente. Aber Udalfried schwieg.
Otto nahm all seinen Mut zusammen. „Es tut mir leid“, sprach er leise. „Das alles hier wollte ich nicht.“
Udalfried antwortete nicht.
„Vorhin, als das Schiff sank, habe ich mich wirklich dumm benommen“, fuhr Otto fort. „Wie ein verdammter Feigling.“
„Ich war nicht weiter überrascht“, antwortete Udalfried kalt. Otto schwieg. Oh, wäre er doch nie an Bord dieses Schiffes gegangen! Er hatte nichts als Unglück über andere gebracht.
Der aufgehende Mond schenkte ihnen ein wenig Licht. Zwei Schatten kamen herbei. Heribert und Ansoalda.
Udalfried atmete erleichtert auf. „Gottseidank! Ich hatte es schon nicht mehr zu hoffen gewagt.“
„Was ist mit... Malwin?“, fragte Otto heiser.
„Malwin geht es dem Umständen entsprechend gut“, antwortete Ansoalda frostig. „Umstände, die Ihr zu verantworten habt, Herr Möchtegernzauberer!“
„Ach ja?“, fragte Otto, und er stand sogar auf dazu, trotz seiner Erschöpfung. „Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich ein schlechter Zauberer bin, daran habe ich niemals einen Zweifel gelassen. Auf Eure Verantwortung, habe ich gesagt. Aber Ihr, Ihr wolltet ja unbedingt, dass ich Euch das
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