Schadenzauber (German Edition)
„Vielleicht hat sich ein Passagier in die Hosen gemacht und die Pisse ist dann in die Bilge gelaufen und muss ausgeschöpft werden.“ Er knuffte seinen Kameraden und die beiden lachten sich halb schlapp.
Ansoalda schlenderte herbei. „Jedes Schiff leckt zwischen den Planken“, erklärte sie.
„ Was? “
„Das ist bei jedem Schiff so und nicht weiter schlimm. So lange ein Mann ausreicht, um das eindringende Wasser zu lenzen, gilt ein Schiff als seetüchtig.“
„Wenn ein Mann reicht? Na, hervorragend. Da bin ich aber beruhigt.“
„Das könnt Ihr auch sein“, brummte Udalfried im Hintergrund, „auf der Inken hat der eine Mann nämlich wenig zu tun.“
Es gab keinen Sturm. Die Inken lief nicht voll und sie sank auch nicht. Otto sorgte für das beste Wetter, das man sich für eine rasche Überfahrt nach Britannien wünschen konnte, und Udalfried segelte wie der Teufel. Trotzdem zählte Otto ängstlich jede lange Minute. Er suchte den Horizont ab nach den Drei Schwestern, der Riesenwelle. Und er versuchte, nicht ins tiefe, aufgewühlte Wasser zu blicken.
So ging es den ganzen Tag. Spät am Abend, gegen Einbruch der Dämmerung, rief Ansoalda endlich ein erlösendes: „Land in Sicht!“
Otto sprang auf. Britannien!
„So, mein Freund“, sprach Udalfried am Ruder, der sich nur zweimal kurz hatte ablösen lassen, um eine Kleinigkeit zu essen. „Das ist Britannien. Wir sind da, das Schiff schwimmt noch, Ihr seid an Bord, Ihr lebt sogar noch... war doch alles gar nicht so schlimm.“
„Nein“, log Otto.
„Gut, dann brauche ich jetzt einen moderaten Südwestwind, um an der Küste entlang zu fahren“, bestellte Udalfried. „Wir wollen nach Badonum.“
Otto griff sich seine Schiefertafel und suchte die Formel. Es war schon dämmrig, aber er konnte die Tafel noch lesen. Geschwind sprach er die Formel und wirkte den Zauber.
Udalfried rieb sich die Hände. „Wir haben es tatsächlich an einem Tag von Dordrecht nach Badonum geschafft. Die Zauberei könnte in der Schifffahrt einiges verändern.“
Sie warteten. Der Wind, der zwölf Stunden lang steif von achtern geweht hatte, flaute ab und erstarb. Führungslos trieb die Inken in den Wellen.
Irgendjemand schniefte. Schon griff Otto nervös zu seiner Schiefertafel, als sich das Segel plötzlich wieder füllte. „Nanu“, brummte Udalfried und betrachtete verwundert das Segel. Der Wind kam nicht aus Südwesten, wie verlangt, sondern direkt aus Osten. Dann wurde das Boot von einer so heftigen Bö erfasst, dass der Mast ächzte.
„Ich habe Südwestwind gesagt!“, brüllte Udalfried. „Süd – West – Wind!“
„Ich, äh...“, stammelte Otto und fingerte mit seiner Schiefertafel herum.
„Verdammt!“, fluchte Udalfried. „Segel reffen! Los, Beeilung! Entweder das Ding reißt oder uns bricht der Mast!“
Die Männer spritzten los, jeder wusste, was er zu tun hatte, aber da war es schon zu spät. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen zerbarst der Mast in Mannshöhe über dem Deck und schlug klatschend auf dem Wasser auf. Die Inken bekam sofort heftige Schlagseite und trieb führungslos in den Wellen. Das Segel lag schwer in der See, und das Wasser leckte über den Freibord.
Was habe ich nur angestellt, dachte Otto und klammerte sich an die Bordwand. Zum Schwimmen war das Land noch viel zu weit entfernt...
„Wir müssen den Mast loswerden, schnell! Oder wir saufen ab!“, schrie Udalfried. „Heribert, Rheinhard! Fangt an zu schöpfen!“ Er fuhr zu Otto herum. „Und das gilt auch für dich!“
„Aber ich...“, stammelte Otto. Er wusste doch gar nicht, was er tun sollte, geschweige denn wie.
Sie drückten ihm einen Eimer in die Hand. Über die Seitenwand drängte das Wasser ins Schiff. Heribert und Rheinhard schöpften wie die Wilden. Otto gesellte sich zu ihnen und half, so gut er konnte, wobei er das Gefühl hatte, den beiden vor allem im Weg zu stehen. Sie knieten im kalten Wasser. Ansoalda zog ihr Schwert. Die anderen bewaffneten sich mit Messern und Äxten und kappten die Takelage. Als sie Mast und Segel über Bord stießen, kam die Inken plötzlich frei. Sie richtete sich auf und wurde antriebslos von den vom Sturm gepeitschten Wellen umher geworfen. Udalfried versuchte durch heftiges Arbeiten am Ruder, den Bug auf die Wellen auszurichten, damit das Schiff nicht quer schlug.
Um in windstillen Buchten zu rudern, hatte die Inken zwei Riemen an Bord. Udalfried ließ die Riemen auslegen. An jedem Riemen ruderten zwei
Weitere Kostenlose Bücher