Schäfers Qualen
Druck gesetzt hatte. Wenn sie der Polizei etwas verriet, würde er ihren Kindern etwas antun. Schäfer entschied sich für eine Notlüge.
„Frau Gasser, wir wissen, was hier passiert ist. Und um den Mann zu fassen, der dafür verantwortlich ist, brauche ich Ihre Hilfe.“
In diesem Moment traten Walch und Kern ins Zimmer. Schäfer stand schnell auf, ging ihnen entgegen und flüsterte ihnen zu: „Rufen Sie mir eine Psychologin oder Therapeutin an. Irgendwen, der die Frau und die Kinder betreuen kann. Und außerdem soll die Baumgartner sofort herkommen. Ich brauche eine Polizistin hier. Und die Spurensicherung. Niemand geht heute schlafen, bis ich es ihm erlaube.“
Während er mit seinen Kollegen sprach, hatte das jüngere Mädchen heftig zu schluchzen begonnen. Schäfer fuhr Walch an, gefälligst seine Waffe zu verstecken, und schickte die beiden aus dem Raum. Als er sich umdrehte, hatten die beiden Mädchen ihre Köpfe unter den Achseln ihrer Mutter versteckt und weinten leise.
„Es tut mir leid“, sagte er, „es wird gleich eine Kollegin hier sein, die sich um sie kümmert.“
„Mein Mann …?“, fragte Frau Gasser fast unhörbar.
Schäfer schluckte. Warum hatte er angenommen, dass sie bereits von seinem Tod wusste? Die drei Sekunden, die er schwieg, genügten als Antwort. Frau Gasser bemühte sich, das Zittern, das sie überkam, unter Kontrolle zu bringen, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. Schäfer nahm an, dass sie sich beherrschen wollte, um ihre Kinder zu schützen. Ohne Erfolg. Hilflos stand er den Resten einer Familie gegenüber, deren Leben soeben zerschlagen worden war. Er ging zu den dreien hinüber, stellte sich hinter das Sofa und legte der Mutter die Hand auf die Schulter.
Ob Chefinspektorin Baumgartner nach zwei Minuten oder einer Stunde eingetroffen war, konnte Schäfer nicht mehr beurteilen. Außer Atem kam sie ins Wohnzimmer und schaute sich verstört um. Hinter ihr stand eine zweite Frau, die mit der Situation ebenso wenig anzufangen wusste. Schäfer löste sich von Frau Gasser und ging zu den beiden. Er erklärte ihnen leise, was seiner Meinung nach passiert war. Baumgartner fragte ihn, ob er schon irgendetwas wusste: ob die Frau den Täter kannte, womit er sie bedroht hatte … Schäfer schüttelte den Kopf. Unter dem Vorwand, dass er einer wichtigen Spur nachgehen müsse, wandte er sich zum Gehen, nachdem er die Frauen noch einmal eindrücklich gebeten hatte, sich um die Mutter und ihre Kinder zu kümmern und sie keinesfalls allein zu lassen. Er würde ihnen Walch zur Seite stellen, sodass sie sich abwechselnd ausruhen könnten.
Vor dem Haus atmete er tief durch und sah in den sternenklaren Himmel. Walch und Kern standen rauchend und betreten schweigend neben dem Wagen.
Schäfer trat zu ihnen. Walch solle ins Haus gehen und über Nacht dort bleiben. Ein Kleinbus bog zügig in die Auffahrt ein und bremste scharf ab. Zwei Beamte der Spurensicherung sprangen aus dem Auto.
Er erklärte ihnen, was zu tun sei und dass sie im Haus erst anfangen sollten, wenn die Kinder im Bett wären. Er nahm die Glock aus seinem Hosenbund und gab sie Kern zurück. Dann stieg er in den Wagen und gab Kern mit einer stummen Geste zu verstehen, dass sie aufbrächen. Während der Fahrt hielt er für ein paar Minuten die Augen geschlossen. Er fühlte sich erschöpft. Der tote Mann – Schäfer war es einigermaßen gelungen, Distanz zu ihm herzustellen. Doch die Frau; und die Mädchen.
Sie war jung, bestimmt zwanzig Jahre jünger als Gasser; vielleicht war es ja eine Geldheirat gewesen und … Was wollte er sich jetzt schönreden … er hatte sie gesehen. Schäfer öffnete die Augen und sah zu Kern hinüber, der gelassen und offensichtlich unberührt mit einer Hand den Wagen lenkte.
„Hast du nicht mitbekommen, worum es hier geht?“, schrie er Kern an. „Glaubst du, du bist in einem Film und endlich passiert einmal was Spannendes?“
Kern verlor vor Schreck die Beherrschung über das Fahrzeug und konnte gerade noch verhindern, über die Gehsteigkante zu fahren.
„Ich … Entschuldigung … Ich wollte mich nur … ich wollte nur zeigen, dass ich professionell mit so was umgehen kann.“
Dann hielt er den Wagen mitten auf der Straße an, klammerte sich mit beiden Händen ans Lenkrad und bemühte sich augenscheinlich, die Tränen zurückzuhalten.
„Entschuldige bitte … Es tut mir leid. Ich müsste mich professioneller benehmen. Fahr mich zurück und dann geh schlafen.“
Als sie im
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