Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schäfers Qualen

Schäfers Qualen

Titel: Schäfers Qualen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
Vom Netzwerk:
Einsatzwagen zu gespenstischen Fratzen wurden. Verärgert drängte sich Schäfer zwischen den Leuten durch und herrschte die beiden anwesenden Polizeibeamten an, den Tatort abzusperren und die Gaffer wegzuschaffen.
    „Aber der hat sich umgebracht“, erwiderte ihm der Ältere der beiden, während der Jüngere sich bemühte, die Menschen wegzuschicken. Hier gäbe es nichts zu sehen? Das sahen sie aber ganz anders. Schäfer wurde wütend.
    „Das ist ein Tatort, wenn ich ihn dazu erkläre. Sie rufen jetzt sofort die Chefinspektorin Baumgartner an und sagen ihr, sie soll mit der Spurensicherung hier antanzen. Außerdem will ich jeden Ihrer Kollegen sehen, der verfügbar ist.“
    Danach wandte er sich an die Menge rundum: „Wenn einer von Ihnen etwas Wichtiges beobachtet hat, bleibt er bitte hier und meldet sich bei mir. Alle anderen sind in den nächsten zwei Minuten von hier verschwunden und geben das Geld, das ich ihnen sonst wegen Behinderung der Polizeiarbeit abnehme, im nächsten Wirtshaus aus.“
    Die Leute verließen langsam und murrend den Tatort; Schäfer wandte sich dem Toten zu und erschrak.
    „Haben Sie ihn gekannt?“, fragte ihn der Notarzt.
    „Nein“, gab Schäfer zurück und zwang sich, seinen Blick von den Füßen des Toten abzuwenden. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass er die gleichen Schuhe wie Schäfer besessen hatte? Er bückte sich und besah sie sich genauer. Der kleine graue Fleck auf dem schwarzen Rauleder, den er beim Putzen nie wegbekommen hatte. Die Enden der Schuhbänder, die er abgeschnitten und mit einem Feuerzeug verschweißt hatte. Es waren seine Schuhe.
    „Von wo ist er gesprungen?“
    „Ziemlich sicher aus dem vorderen Turmfenster. Wenn er nicht aufs Dach gestiegen ist. Aber warum hätte er das machen sollen.“
    „Gut, ich gehe jetzt hinauf. Rühren Sie ihn bitte nicht an, bis die Spurensicherung da ist. Den Tod haben Sie ja sicher schon festgestellt?“
    Der Notarzt nickte und Schäfer ging um die Kirche herum, wo er den Aufgang zum Glockenturm wusste. Er stieg die Holztreppen hinauf, zog sich den rechten Hemdsärmel über die Hand und stieß die Tür auf. Das letzte Mal, dass er die steile Wendeltreppe hinaufgestiegen war, war in der Volksschule gewesen. Der Schüler vor ihm, sein Klassenkamerad Hutter, hatte sich ein Vergnügen daraus gemacht, Schäfer einen stinkenden Furz ins Gesicht fahren zu lassen, sooft sein Darm es ihm erlaubte. Bis sie oben waren, hatte er sicher zehnmal „Sau“ geschrien und war dafür vom Pfarrer, der auch ihr Religionslehrer war, kräftig an den Ohren gezogen worden.
    Als er oben ankam, schaute er zuerst aus dem Fenster, unter dem die Fußgängerzone lag. Gasser mit zertrümmertem Schädel und in einer grotesken Verrenkung; neben ihm stieg blauer Rauch in die Luft, den die Sanitäter, die am Krankenwagen lehnten, wie aus Pietät steil nach oben bliesen. Der Leichenwagen fuhr langsam in die Fußgängerzone ein. Schäfer drehte sich um und sah die schwarzen Slipper, die wohl Gasser gehört hatten. Daneben lag ein Mobiltelefon. Einen Moment zögerte Schäfer, dann hob er die Schuhe auf und steckte sie sich hinten in den Hosenbund unter sein Jackett. Da läutete sein Telefon und er drehte sich erschrocken um, als hätte ihm jemand bei seiner Unterschlagung zugesehen. Bergmann.
    „Was gibt’s? … Was für eine Hellabrunner Mischung? … Ach, das Betäubungsmittel … Bergmann, ich will nicht wissen, wer das erfunden hat, sondern … Also nichts … Na ja, ein Autohändler hat sich vom Kirchturm gestürzt, wobei ich sicher bin, dass er nicht ganz freiwillig gesprungen ist … Wieso ‚Vertigo‘? … Stimmt … Sagen Sie, Bergmann: der Polizist in ‚Vertigo‘, das war doch James Stewart … Und die Frau, die … Kim Novak!?“
    Schäfer setzte sich auf die Holzbank an der Wand und drückte sich mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand gegen die Schläfen.
    „Bergmann, ich brauche Sie jetzt. Ich schreibe Ihnen heute noch die Eckpunkte zusammen von dem, was hier alles passiert ist. Die Ziposchka soll inzwischen wer anderer übernehmen. Wenn Ihnen jemand blöd kommt, soll er mich anrufen. Das wär’s fürs Erste. Danke, Bergmann.“
    Hellabrunner Mischung … ein spezieller Narkosecocktail für Tiere … ein Tierarzt, ein Pfleger? Bergmann hatte keine Anzeigen gefunden, dass irgendwo eingebrochen und das Mittel gestohlen worden wäre. Doch ohne Rezept … Schäfer steckte sein Telefon ein und sah sich noch einmal um. Dann zog er sich

Weitere Kostenlose Bücher