Schäfers Qualen
jemand von hier ist beziehungsweise aus den umliegenden Orten. Der jeweilige Zeitpunkt der Verbrechen sowie die Vorgehensweisen waren meines Erachtens sehr sorgfältig und langfristig geplant. Sonst hätten wir bei so aufwendigen Hinrichtungen auf jeden Fall Zeugen.
Jetzt zu dem, was ich gestern in Erfahrung gebracht habe: Steiner, Krassnitzer und Gasser haben vor fast vierzig Jahren in derselben Skischule gearbeitet. Wann genau, werde ich heute noch feststellen. Ich habe mit dem damaligen Leiter der Skischule, einem Herrn Hinterholzer, gesprochen, der über ausführliches Bildmaterial aus jener Zeit verfügt. Ich werde die Fotos heute noch abholen, dann werden wir darangehen, soweit das möglich ist, alle zu befragen, die damals in der Skischule gearbeitet haben. Das klingt nach Klinkenputzen, ich weiß, aber trotzdem bitte ich Sie, alle Gespräche, soweit die Befragten es erlauben, mit einem Diktiergerät aufzunehmen, damit uns wirklich nichts entgeht. Wenn es möglich ist, bitte ich Sie, die Befragungen in Zweierteams durchzuführen. Und seien Sie mir bitte nicht böse, wenn ich selbst das nicht so handhabe.
Dann gibt es noch etwas, womit wir gleich nach der Besprechung anfangen können: Obernauer, ein Einheimischer, der sich erschossen hat, nachdem er mit Krassnitzer Probleme wegen einer Grundstücksumwidmung hatte. Ich möchte wissen, wann genau, ob der Fall genauer untersucht wurde, welche Waffe, um welches Grundstück es da ging, wem es davor gehört hat, wo Obernauer seinen Kredit aufgenommen hat und so weiter. Was noch wichtiger ist: Obernauers Sohn, Hans. Den müssen wir so schnell wie möglich finden.
Wie Sie diese Arbeit aufteilen, überlasse ich Ihnen. Ich gehe davon aus, dass Gruppeninspektor Walch weiß, wen er wo am besten einsetzt. Frau Baumgartner, für Sie habe ich eine etwas heikle Aufgabe. Mir wurde mitgeteilt, dass der damalige Bürgermeister Kranz bei dieser Umwidmungsgeschichte ebenfalls seine Hände im Spiel hatte. Suchen Sie sich einen Kollegen aus und treten Sie dem Mann auf die Zehen. Er wird Sie wahrscheinlich als Frau zuerst gar nicht ernst nehmen, soweit kenne ich diese Stadtkaiser. Aber es ist mir lieber, Sie geben ihm das Gefühl, dass ihm nichts passieren kann, als dass er gleich zum Telefon greift und seine Politkameraden aufhetzt. Gibt’s Fragen, habe ich was vergessen?“
„Ja“, meldete sich Halder, „ich frage mich, wie der Täter überhaupt gewusst haben kann, dass Gasser gesprungen ist. Vom Haus der Gasser sieht man den Kirchturm nicht. Ich hab mir überlegt, ob er vielleicht den Polizeifunk abgehört und gewartet hat, bis etwas über einen Selbstmord im Stadtzentrum reinkommt, aber dafür hat er das Haus der Gasser zu schnell verlassen. Und die Frau hat davon auch nichts bemerkt.“
Schäfer ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen und wunderte sich, dass er sich diese Frage nicht selbst gestellt hatte. Halder hatte zweifelsohne recht. Irgendwie musste der Täter den Kirchturm beobachtet haben.
„Eine mehr als berechtigte Frage … gut gedacht, Halder. Wenn Sie sich dieser Sache annehmen könnten, wäre ich Ihnen dankbar. Na gut, an die Arbeit. Wir sehen uns spätestens heute Abend wieder.“
Während die Polizisten nacheinander den Raum verließen, blieb Schäfer noch sitzen und strich sich seine zweite Semmel. Wieder einmal hatte er das Gefühl, etwas Wichtiges übersehen zu haben. Er schaute auf die Schreibtafel und biss gedankenverloren in die Semmel. Obernauer war eine gute Spur. Aber warum dann die Schuhe? Und die Todesarten … standen sie in irgendeiner Weise zum Motiv … was erzählte ihm der Täter damit? Er würde Pfarrer Danninger nochmals aufsuchen und mit ihm sprechen, bevor er dieses Thema in die offiziellen Ermittlungen einbrächte. Er stand auf, wischte die Brösel vom Tisch und stellte Tasse und Teller in die Spüle der kleinen Küchennische. Dann bat er Halder, ihm die Adresse von Obernauers Witwe zu suchen. Er schrieb sich den Straßennamen und die Telefonnummer in seinen kleinen Notizblock.
17
Auf seinem Zimmer legte er Schuhe und Jackett ab, schaltete seinen Laptop ein und stellte ihn auf den kleinen Tisch am Balkon. Er wählte die Nummer vom Zimmerservice und bestellte sich ein Kännchen Kaffe mit heißer Milch. Nachdem der Kellner das Zimmer mit einem Trinkgeld verlassen hatte, das Schäfers Eltern Verschwendung genannt hätten, setzte er sich in den Liegestuhl auf dem Balkon und stellte sich seinen Laptop auf den Schoß. Er
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