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Schäfers Qualen

Schäfers Qualen

Titel: Schäfers Qualen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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müsste er nachher treffen. Nach dem, was ihm die Baumgartner erzählt hatte, musste er sich hüten, Steiners Witwe gleich vorweg zu verurteilen. Urlaub in Florida und dann auch noch eine Kollegin von oben herab behandeln. Nun, er würde sich überraschen lassen.
    Er sah in seinem Notizbuch nach, ob er sich ihre Nummer notiert hatte. Fehlanzeige; abermals öffnete er den Webbrowser und sah im Telefonverzeichnis nach. Er fand nur eine Festnetznummer; kurz darauf hörte er den Anrufbeantworter, der ihm mitteilte, dass sie nicht zu Hause wäre und man bitte eine Nachricht hinterlassen möge. Sie würde zurückrufen, sobald die Umstände es zuließen. Schäfer sprach eine kurze Nachricht aufs Band und legte auf. Seltsame Frau. Entweder sie hatte ihren Mann nicht als Teil der häuslichen Gemeinschaft betrachtet oder den Anrufbeantworter bereits neu besprochen. Und von welchen Umständen sprach sie? Schäfer konnte nicht anders, als an eine Trockenhaube oder eine Solariumbank zu denken, und schämte sich sofort wegen dieses Gedankens, der ihm trotz des Verlusts gekommen war, den diese Frau erlitten hatte.
    Er sah auf die Uhr auf seinem Computer und fuhr ihn herunter. Eigentlich wäre es praktisch, ihn beim Pfarrer dabeizuhaben. Doch in der anachronistischen Sphäre des Studierzimmers oder der friedvollen Grünblase des Pfarrgartens konnte er sich einfach kein Gerät vorstellen, das nach der Glühbirne erfunden worden war. Er wickelte das Album vorsichtig in ein sauberes T-Shirt und gab es in die Papiertüte. Bevor er das Zimmer verließ, verschloss er seine Waffe im Wandtresor. So wäre er einstweilen vor ihr sicher.

18
    Gut fünfzig Meter vor dem Pfarrhaus nahm Schäfer den Geruch des Bratens wahr, den die Pfarrköchin wohl eben erst aus dem Rohr genommen hatte. Wollte wer mit ihm über die Speisenfolge wetten? Grüner Salat, Schweinsbraten mit Blaukraut und Serviettenknödel, danach Apfelmus – die fünf Elemente der Johanna K. Da die Tür nur angelehnt war, trat er ohne zu läuten ein und ging in die ebenerdig gelegene Küche. Die Pfarrköchin war nicht da, hatte aber bereits aufgedeckt. Schäfer stellte die Tasche ab, setzte sich auf die Eckbank und sah sich in der Küche um, die er trotz ihrer Sauberkeit und Aufgeräumtheit in einem Dornröschenschlaf wähnte, der zumindest seit seiner Kindheit andauerte. Er befühlte das dunkelbraune, fast schon schwarze Eichenholz der Tischplatte. Druckspuren und Kerben, von Bratenspritzern und Bienenwachs versiegelte Löcher längst verendeter Holzwürmer, ein Relief, das von unzähligen Gästen erzählte, die in seinem Namen hier beisammen gewesen waren. Wo mochte Danninger dieses urtümliche Stück herhaben, das in die Pfarrküche passte, als wäre es aus ihrem Boden gewachsen? Eine Bohle der Arche Noah womöglich, von der Vorsehung hier angeschwemmt, um, auf schwere Holzfüße gebockt, zum Urahn aller Tische zu werden.
    „Und schon wieder in den Wolken, der Johannes“, erschreckte ihn die Pfarrköchin, „deswegen hast du auch bei der Eucharistie die Glöckerl nicht mehr bekommen, weil du das Läuten zweimal verschlafen hast. Und der Herr Pfarrer hat mir was von spiritueller Versenkung erzählen wollen. Dass ich nicht lache, wahrscheinlich warst mit deinem Kopf im Wald außen und hast Maipfeiferl geschnitzt, für die Dirndl warst ja wohl noch zu jung damals. Mein Gott, die Dirndl, die haben dich gern gehabt, ja …“
    Zu Schäfers großer Erleichterung kam der Pfarrer in die Küche, gab ihm die Hand und rieb sich dann den Bauch, was in der Köchin den Reflex auslöste, sofort zu verstummen und sich darum zu kümmern, so schnell wie möglich das Essen auf den Tisch zu bringen. Als sie zu dritt am Tisch saßen, fragte Danninger Schäfer, ob er das Tischgebet sprechen wolle. Schäfer zögerte. Mit einem kindlichen Reim wollte er in diesem Haus keinen Segen erbitten.
    „Danke, dass wir was zu essen haben und dass ich hier sein darf bei Leuten, die mich gern haben, und dass die Johanna so gut kochen kann“, improvisierte er und schaute die beiden fragend an, ob es schon genug war. Amen.
    Während des Essens sprach der Pfarrer fast durchgehend – was die nun schweigsame Köchin vor zwanzig Jahren vermutlich als lässliche Sünde aus den Wirrungen der Befreiungstheologie angesehen hatte, mittlerweile aber wohl gewohnt war.
    Schäfer stimmte Danningers Ausführungen immer wieder mit einem stummen Nicken zu, da er seinen Mund immer zu voll zum Reden hatte. Die Pfarrköchin

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