Schäfers Qualen
angefangen hat, das Abendessen zu machen. Gegen sieben hat ihr Mann angerufen und ihr mitgeteilt, dass er in einer halben Stunde zu Hause sein würde. Dann hat sie die Mädchen aus dem Garten geholt und ist mit ihnen ins Bad. Während die Kinder in der Badewanne gesessen haben, hat Frau Gasser das Abendessen fertig zubereitet und mit einer Freundin telefoniert. Während dieses Telefonats hat es an der Tür geläutet. Wir haben die Anrufliste durchgesehen. Demnach hat der Täter ziemlich genau um 7:25 Uhr das Haus betreten. Sie hat ihm die Haustür geöffnet, ohne zu fragen, weil sie angenommen hat, dass es ihr Mann wäre. Laut ihren Angaben war der Täter mit einer Wollmütze vermummt, aus der zwei Löcher geschnitten waren. Er hat sie mit einer Pistole bedroht, gleichzeitig jedoch sehr ruhig und höflich auf sie eingeredet. Es täte ihm sehr leid, dass er ihr Unannehmlichkeiten bereite, aber er bräuchte ihre Hilfe und so weiter. Dann hat er nach den Kindern gefragt und ist mit ihr ins Badezimmer gegangen. Er hat sie die Mädchen abtrocknen und anziehen lassen, anschließend sind sie alle gemeinsam ins Wohnzimmer. Von dort aus hat er ihren Mann angerufen. Nach ein paar Sätzen, die sie aufgrund seines Flüsterns nicht verstanden hat, hat ihr der Täter das Telefon hingehalten und sie aufgefordert, ihrem Mann mitzuteilen, dass alles in Ordnung sei. Dann hat er Frau Gasser ein Handwerkerklebeband gegeben und sie ersucht, die Hände und Füße der Kinder zu fesseln und ihnen den Mund zu verkleben. Ihr selbst hat er Handschellen angelegt und ebenfalls den Mund zugeklebt. Danach ist er für etwa zehn Minuten weggegangen, wobei Frau Gasser nicht sicher sagen kann, ob er das Haus verlassen hat oder in einem der anderen Zimmer war. Als er zurückgekommen ist, hat er zuerst die Kinder und dann die Mutter von ihren Fesseln befreit. Bevor er gegangen ist, hat er noch gesagt, dass sie der Polizei nichts von ihm erzählen soll, weil er sonst zurückkäme. Als er weg war, hat sie sich mit den Kindern auf die Couch gesetzt und einfach nur abgewartet.
Um neun Uhr dreißig ist Major Schäfer gemeinsam mit Gruppeninspektor Walch und Inspektor Kern eingetroffen und hat den Tatort gesichert. Eine Psychotherapeutin aus Wörgl ist mit mir eine halbe Stunde später dort gewesen.
Ich habe Frau Gasser gemeinsam mit der Therapeutin befragt, nachdem sie die Kinder ins Bett gebracht hatte. Die Spurensicherung hat übrigens Schuhabdrücke im Garten gefunden, die stammen allerdings leider von unseren Kollegen Walch und Kern. Das war’s eigentlich. Ach so: Frau Gassers Beschreibung des Täters: ungefähr 1,85 groß, schlank, sportlich, der Stimme nach eher jung, schätzungsweise dreißig. Was vielleicht auch noch interessant ist: Er hat keinen Dialekt gesprochen. Außerdem war er, so weit man das sagen darf, höflich und hat gegen Frau Gasser und die Kinder keinerlei Gewalt angewendet – wenn man von den Klebebändern und den Handschellen einmal absieht.
Was jetzt die Befragung von Steiners Witwe betrifft: die war eher mühsam. Die Frau hat sich alles aus der Nase ziehen lassen. Sie hat keinerlei Verdacht gegen irgendwen geäußert, obwohl sie zugegeben hat, dass ihr Mann sich nicht überall nur Freunde gemacht hatte. Ich habe das Gefühl gehabt, dass sie es als Beleidigung empfunden hat, von einer Frau befragt zu werden. Außerdem hat sie die ganze Zeit ein Gesicht gemacht, als ob sie panische Angst vor mir hätte. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn Sie mit ihr sprechen, Major Schäfer. Steiners Tochter ist erst gestern Nachmittag eingetroffen, wir hatten noch keine Zeit, sie zu befragen. Die Freundin von Krassnitzer nehmen wir uns ebenfalls heute vor.“
„Kompliment, Kollegin … da haben Sie mit dem Stichwortbericht ganz schön tiefgestapelt.“ Schäfer nahm den letzten Schluck von seinem Cappuccino, stand auf und ging zur gegenüberliegenden Wand, wo er mit einem schwarzen Faserschreiber die Namen der Opfer in einer einstweilen nur ihm bekannten Ordnung auf das Wandbord schrieb.
„Also. Wir haben drei Morde. Zwei auf die euch bekannte Weise getötet, der Dritte, Gasser, zum Selbstmord genötigt. Nach Frau Gassers Einvernahme wissen wir, dass es sich um einen Mann handelt. Was das Alter betrifft, sollten wir uns noch nicht festlegen. Da kann eine Stimme leicht täuschen. Weiters können wir davon ausgehen, dass sich der Täter in der Gegend sehr gut auskennt und seine Opfer längere Zeit beobachtet hat – was nahelegt, dass es
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