Schaenderblut - Thriller
roch noch immer nach Tod, selbst der beißende chemische Geruch von Reinigungsmitteln und Bleiche konnte daran nichts ändern. Vor ihrem geistigen Auge tauchte die Leiche der korpulenten Frau auf, die ihr Entführer zerfleischt hatte. An der Stelle, wo ihr Blut sich gesammelt hatte und geronnen war, schien der Fußboden deutlich heller zu sein. Alicias Ohren klingelten noch von den Schreien der Frau, die ihr eiskalte Schauder über den Rücken gejagt hatten. Die andere war unter unvorstellbaren Schmerzen gestorben.
Alicia wusste, dass sie als Nächste dran war. Ganz egal, wie freundlich der so gutmütig wirkende College-Junge zu ihr gewesen war, bevor er sie heute Morgen verlassen hatte. Ganz egal, wie sehr er ihr zu versichern versuchte, sie niemals auf diese Weise zu verletzen. Die Pflaster auf ihren Brüsten sagten etwas anderes. Ihr Todesurteil war bereits unterschrieben.
Selbst wenn er recht hatte mit dem Serienmördervirus, selbst wenn es so etwas wie einen Vampir- oder Werwolffluch gab, war Alicia nicht davon überzeugt, dass es möglich war, seine Auswirkungen zu bekämpfen. Den Glauben daran hatte sie in der letzten Nacht verloren.
Joe hatte sowohl Blut als auch Menschenfleisch verschlungen. Spätestens jetzt gab es keine Rettung mehr für ihn und damit war auch Alicia verloren. Aber solange er noch daran glaubte, eine Heilung zu finden, blieb ihr zumindest die Hoffnung auf eine Fluchtmöglichkeit.
Ihre Handgelenke hatten sich dort entzündet, wo die Haut durch ihre unermüdlichen Befreiungsversuche aufgescheuert war. Die gequälten Glieder durften sich jetzt eine dringend benötigte Erholungspause gönnen, denn sie erkannte keinen Sinn mehr in ihren Bemühungen. Sie ließ den Kopf auf das Kissen sinken und träumte von ihrem Vater.
In ihren Träumen kam er zu ihr, wischte das Blut von ihrem Bauch ab, löste ihre Fesseln und versicherte ihr, dass er sie liebte und ihr vergeben würde. Er wirkte deutlich jünger und stärker, als hätte der Tod seine Jugend zurückgebracht. Er wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann fing er an, ihr die Haare zu kämmen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass ihr Vater zu Lebzeiten jemals so zärtlich und fürsorglich gewesen war. Er sah völlig anders aus. Genau wie ... Superman.
Kapitel 21
Nachdem er den Lieferwagen für die Fahrt nach Tacoma angemietet hatte, war Joe zum Apartment zurückgekehrt, um Alicia reisefertig zu machen. Er hatte sie im Tiefschlaf vorgefunden, leise vor sich hin murmelnd. Sie wachte auf, als er versuchte, sie anzuziehen.
»Joe! Ich dachte ... Ich habe geträumt, dass mein Dad hier war.«
»Du sahst so glücklich aus.«
»Das war ich auch.«
Joe wusste, wie sie es meinte. Sie war bis zu dem Moment glücklich gewesen, als er sie weckte und sie erkannte, dass sie noch immer im Apartment eines Mörders eingesperrt war.
»Wir unternehmen eine Reise.«
»Um diesen Kindermörder zu suchen, stimmt’s?«
»Ja. Wir fahren nach Washington.«
Kapitel 22
Der große muskulöse Collegestudent war seit fast einer Woche nicht mehr bei den Gruppenabenden der Anonymen Sexsüchtigen erschienen. Und Frank hatte SuperPredator ebenso lange nicht mehr online gesehen. Sein Hintern war von der letzten Begegnung mit dem atemberaubenden Kannibalen noch gar nicht verheilt. Trotzdem konnte er an nichts anderes denken als an ein weiteres Date mit diesem gut aussehenden Muskelprotz. Beim Gedanken an die stählernen blauen Augen, die einen von oben bis unten taxierten, wenn er mit einem sprach, lief ihm ein wohliger Schauer über den Rücken. Augen, die tief in den Körper und in jeden Zentimeter des eigenen Selbst einzudringen und bereits den nächsten Mord zu planen schienen. Er war immer noch scharf auf den Kerl, zugleich hatte er Angst vor dem, was ihm bei einem erneuten Treffen mit SuperPredator zustoßen könnte.
Es war nicht leicht gewesen, in der Notaufnahme die Verletzungen zu erklären. Aber zum Glück war er fast so etwas wie ein Stammkunde, deshalb schenkten sie seinen dahingestammelten Erläuterungen keine besondere Aufmerksamkeit. Sie riefen nur einen Psychologen dazu, der sich mit ihm unterhalten sollte, während sie seinen wunden Hintern verarzteten. Sobald er den gelangweilten Psychologen davon überzeugt hatte, dass er weder geisteskrank noch selbstmordgefährdet war, entließen sie ihn mit einem Rezept für Schmerzmittel und der Empfehlung, sich professionelle Hilfe zu suchen. Frank lächelte
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