Schaenderblut - Thriller
ein paar Leuten zusammen im Café gesehen worden. Wenn die Polizei auf sein Apartment stieß, fand sie auch die Leiche. Aber dann würde er längst unterwegs nach Seattle sein, um Damon Trent zu töten.
Kapitel 19
Joes Soziologiekurs schien mittlerweile immer düsterere Themen auszuloten. Seine ständigen Fragen hatten diesen Trend sicherlich verstärkt, aber man konnte ihn nicht allein dafür verantwortlich machen. Sie hatten sich der indianischen Mythologie zugewandt und waren auf den Wendigo zu sprechen gekommen.
»Die Stämme der Chippewa sowie der Ojibwa berichten übereinstimmend von einem gefürchteten Krieger, der seinen Feinden, nachdem er sie im Kampf besiegt hatte, ein Stück Fleisch abschnitt und es aufaß, um stärker zu werden. Der Krieger fand immer größeren Gefallen an Menschenfleisch und fiel schließlich über seinen eigenen Stamm her. Er hörte auf, Tiere zu jagen, und ernährte sich ausschließlich von seinen Stammesgenossen. Daher verfügte der Herr des Lebens, der Große Geist, dass dieser Krieger, wenn er sich schon entschieden hatte, wie ein wildes Tier zu leben, für alle Zeiten ein Dasein als Ungeheuer fristen sollte, und verwandelte ihn in den Wendigo. Angeblich soll er noch heute auf der Suche nach zweibeiniger Nahrung durch die Wälder und frostigen Einöden Nordamerikas streifen.
Die Stämme glauben daran, dass jeder, der die Sünde des Kannibalismus begeht, ebenfalls vom Geist des Wendigo besessen wird und sich in ein Monster verwandelt, das sich von Menschenfleisch ernähren muss, um zu überleben.«
Die Studenten hörten aufmerksam zu wie Kinder, die sich um ein Lagerfeuer versammeln, um einer richtig guten Gespenstergeschichte zu lauschen. Sie schienen auf das traditionell schockierende Ende zu warten. Viele von ihnen starrten Joe an, als erwarteten sie, dass ihm jeden Moment Haare oder Fangzähne wuchsen.
»Wenn man sich in eines dieser Monster verwandelt hat, wie kehrt man das wieder um?«, wollte Joe vom Dozenten wissen. »Thematisieren die Legenden auch eine mögliche Heilung?«
Der Professor schüttelte den Kopf und seufzte.
»Sie werden nicht geheilt, Joseph. Sobald sie diese Grenze überschritten haben und zu Kannibalen geworden sind, bleiben sie für immer Monster.«
»Aber das kann nicht sein! Es muss eine Heilung geben!«
»Beruhigen Sie sich. Wir sprechen hier doch lediglich über Mythologie. Es besteht kein Grund, sich derart zu ereifern.«
Besonnenheit gehörte nicht gerade zu Joes Stärken und wieder einmal hatte er sich vor seinen Kommilitonen der Lächerlichkeit preisgegeben. Er senkte den Kopf, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
Der Professor fuhr fort. »Normalerweise dient in der indianischen Mythologie die Fähigkeit, die Gestalt eines Tiers anzunehmen, dem Zweck geistiger Erleuchtung, Heilung und persönlicher Weiterentwicklung. Selbst böse Gestaltwandler griffen in den meisten Fällen keine Menschen an, um sie zu verspeisen. Diese abstoßende Eigenschaft wird allein dem Wendigo zugeschrieben und die Legende dieser Kreatur scheint vorrangig als Warnung vor den Auswüchsen des Kannibalismus zu dienen.«
»Steckt denn ein Funken Wahrheit darin? Ich meine, hat man jemals einen Wendigo in freier Wildbahn gesichtet?«
Der Professor schloss die Augen, presste die Handflächen gegen die Stirn und gab sich alle Mühe, ruhig zu bleiben.
»Es ist ein uralter Mythos. Obwohl es vor einem oder zwei Jahrhunderten viele Menschen gab, die daran glaubten, würde es mich doch wundern, wenn das heute noch jemand ernst nähme.«
»Vielleicht sollte man es ernst nehmen«, gab Joe zurück. Er schwieg. Seine Augen forderten den Professor heraus, nachzuhaken. Dieser erwiderte seinen Blick und eine unbeantwortete Frage schien ihm auf der Zunge zu liegen.
Hast du diese Frau getötet?
Plötzlich fühlte Joe sich in dem kleinen Klassenzimmer eingeengt. Er stand schnell auf, warf dabei fast seinen Stuhl um, schnappte sich seinen Rucksack und eilte zur Tür. Professor Douglas zuckte zusammen, als der Student an ihm vorbeistürmte.
»Ein sehr verwirrter junger Mann«, flüsterte er, nachdem Joe den Raum verlassen hatte und sich die Tür langsam hinter ihm schloss.
Kapitel 20
Zitternd vor Angst lag Alicia auf Joes verdreckten Laken, die nach Blut, Schweiß, Sperma und Urin stanken. Ihre Beine waren weit gespreizt und mit ihren Handgelenken zusammengebunden. Nie in ihrem Leben hatte sie eine solche Furcht verspürt. Das Zimmer
Weitere Kostenlose Bücher