Schaenderblut - Thriller
die Nacht verbrachten, aber doch nicht Joe! Ob er sich lediglich mit seinen Affären hierhin zurückzog, um sie (zu töten und aufzuessen? Was war das für ein bestialischer Gestank?) zu ficken?
Frank hetzte den Korridor zum Zimmer 410 entlang. Er kam vor der Tür des Apartments, das sein Adonis angeblich bewohnte, schlitternd zum Stehen und wunderte sich ein wenig, dass sie offen stand.
»Joe? Bist du da drin?«
Als einzige Antwort hörte er ein lautes, dumpfes Pochen aus den Tiefen der schmuddeligen, spärlich möblierten Behausung. Frank schlich hinein und sah sich um. Seine Umgebung erinnerte ihn an eine Gefängniszelle. Es gab lediglich eine Lampe, einen kleinen Fernseher mit integriertem Videorekorder auf einer Bierkiste, zwei Klappstühle und einen Tisch.
An den Wänden hingen Acrylbilder von in Rot gebadeten Gestalten. Frank ging näher heran und erkannte, dass die Figuren auf den Gemälden nicht nur in Rot gebadet waren. Sie bluteten. Langsam schälten seine Augen eine Struktur aus dem Chaos auf den Leinwänden heraus. Die Rosa- und Beigetöne stellten menschliches Fleisch dar. Aufklaffendes Fleisch, in dem Muskeln und Sehnen unter der Haut hervortraten. Das Weiße waren die Knochen. Und bei dem großzügig aufgetragenen Rot handelte es sich offenkundig um Blut. Die Gemälde glichen Momentaufnahmen von Menschen, deren Inneres nach außen gekehrt worden war. Und immer wieder fehlten Körperteile. Einige mussten ohne Arme und Beine auskommen. Andere waren offenbar Frauen, allerdings ohne Brüste. Manche Köpfe ließen die Gesichter vermissen, dann wieder hatte der Maler die Geschlechtsteile unterschlagen. An ihrer Stelle klaffte ein zerfetztes Loch, das auf die Leinwand blutete.
Frank hörte wieder das dumpfe Klopfen. Es schien aus dem Schlafzimmer zu kommen.
»Joe? Ist bei dir alles okay? Ich bin’s, Frank!«
Er stieß die Tür auf und entdeckte die Frau, deren Hand- und Fußgelenke mit Ledermanschetten gefesselt waren. Ihren Mund verschloss eine großzügige Menge an Klebeband. Ihm entgingen auch nicht die Pflaster über ihren Nippeln. Was auch immer sich hier abgespielt haben mochte, die Panik in den Augen der Frau ließ keine Zweifel, dass es nicht mit ihrem Einverständnis geschehen war.
Ein dünnes Rinnsal Blut sickerte aus einer kleinen Wunde an ihrer Stirn, die sie sich wahrscheinlich beim Sturz von der Matratze zugezogen hatte. Die Fesseln an ihren Handgelenken waren mit einer Kette verbunden, die es ihr unmöglich machte, sich weiter als einen Meter vom Bett zu entfernen. Sie warf sich hin und her, versuchte auf die Beine zu kommen, und als sie den kleinen zierlichen Mann vor sich stehen sah, flehten ihre Augen ihn um Hilfe an. Sie streckte die Handgelenke nach vorn und schüttelte sie, beschwor ihn, ihr die Handschellen abzunehmen. Doch er hatte keinen Schlüssel dafür und machte sich zudem Sorgen um seine eigene Sicherheit. Das Beste, was er tun konnte, war, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden und die Bullen zu alarmieren.
Er ging langsam rückwärts aus dem Zimmer. Das Flehen der Frau wurde drängender. Sie schüttelte heftig die Hände in seine Richtung und stampfte mit den Füßen auf den Boden. Tränen der Verzweiflung stiegen in ihre Augen, als Frank in den Flur zurückwich. Je verzweifelter sie agierte, desto mehr verstärkte sich Franks Eindruck, dass er sich definitiv zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielt und riskierte, dass Joe mit ihm weitaus Schlimmeres anstellte, wenn er sich nicht umgehend aus dem Staub machte.
Franks Blick huschte hin und her und blieb an einem Gemälde hängen, das im Korridor vor dem Schlafzimmer hing. Es war größer als die anderen und zeigte eine üppige Frau, die gefesselt auf einem Bett lag, genau wie die Frau im Schlafzimmer. Allerdings besaß die Frau auf dem Bild überhaupt keine Brüste mehr. Ihre Rippen klafften auf wie eine blühende Rose.
Es war das einzige Motiv, auf dem das Gesicht eindeutig zu erkennen war. Es wirkte hyperrealistisch, fast wie ein Schnappschuss. Und es war ganz offensichtlich die gefesselte Frau von nebenan. Dieselben verletzten Augen. Die gleichen Grübchen. Mit dem Unterschied, dass sie auf dem Bild in einer abartigen Mixtur aus Schmerz, Entsetzen und Ekstase schrie. Es war ein ungemein kraftvolles Kunstwerk. Frank fragte sich, ob die Frau es kannte. Es verdeutlichte, welches Schicksal ihr drohte, falls er sie nicht aus ihrer Zwangslage befreite. Der Geruch nach Tod und Verwesung war nun
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