Schaenderblut - Thriller
allgegenwärtig – eindringlich wie eine Warnsirene. Er versengte förmlich das Haar in seinen Nasenlöchern und mahnte ihn, schleunigst zu verschwinden.
»Ich hole Hilfe! Ich komme zurück! Das verspreche ich dir!«, sagte Frank sowohl zu der Frau im Schlafzimmer als auch zu ihrem Konterpart auf dem Bild. Zur Gegenwart und zur potenziellen Zukunft.
Seine Augen wichen ihrem Blick aus, entzogen sich ihrem stummen Flehen, und als er den Rest des Apartments absuchte, erkannte er sich selbst auf einem der Gemälde wieder. Es war noch schlimmer als alle anderen, überwiegend in Weiß und Rot gehalten. Knochen und Blut. An seinem Körper befand sich so gut wie kein Fleisch mehr. Nur das Gesicht war ihm geblieben. Die Augen richteten sich in tiefer Verzückung himmelwärts, der Mund war erschlafft wie nach einem Orgasmus. Franks Beine begannen, unkontrolliert zu zittern, und drohten, ihren Dienst zu versagen.
Kapitel 23
Joe wollte gerade losfahren, um den Lieferwagen zu betanken, als er Frank im Rückspiegel entdeckte, wie er die Folsom Street überquerte und auf die Eingangstür des Apartmentgebäudes zuhielt. Sofort kochte kalte Wut in ihm hoch. Er hatte dem kleinen Mann die Chance gegeben, sich aus dem Staub zu machen, aber er war trotzdem zurückgekehrt, um seine Nase in Joes Angelegenheiten zu stecken. Er bettelte förmlich darum, getötet zu werden. Joe wusste, dass manches Rotwild, wenn es alt oder krank war, dem Wolf bereitwillig die Kehle darbot und sich danach zu sehnen schien, dass die Zähne des Raubtiers dem Elend des Lebens ein Ende bereiteten. Langschweine trieb offenbar der gleiche selbstmörderische Instinkt an.
Joe kurvte um den Block herum, da er kein gefährliches Wendemanöver mitten auf der Folsom Street riskieren wollte. Er spürte, wie das Adrenalin pulsierte und sein Herzschlag sich beschleunigte. Die Bestie in ihm regte sich. Als er das zweite Mal am Gebäude vorbeifuhr, war Frank nirgends zu sehen, aber die Eingangstür stand weit offen. Joe schlug die Faust so fest auf das Armaturenbrett, dass es einen Riss bekam.
»Scheiße!«, brüllte er, würgte den Motor des Lieferwagens ab, sprang auf den Bürgersteig und stürmte in das Gebäude.
Die Eingangshalle war verlassen. Wahrscheinlich hatte Frank sich über das Treppenhaus auf den Weg gemacht, um nach ihm zu suchen. Joe drückte den Knopf des Aufzugs und wartete ungeduldig, dass die Kabine herunterkam. Im Geiste spielte er mehrere Szenarien für Franks Tötung und Beseitigung durch. Joe musste lächeln, als er merkte, dass er einen Ständer bekam. Vielleicht war es genau das, was er brauchte, um die lange Fahrt durchzustehen. Frische Beute, an der er knabbern konnte.
Er fuhr mit dem Lift nach oben, stampfte vor lauter Begierde, seinen ungebetenen Besucher zu töten, immer wieder ungeduldig mit dem Fuß auf. Die Türen glitten zur Seite, und Joe trat in den Korridor, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Frank langsam rückwärts aus seiner Wohnung kam, eine Hand zitternd vor den Mund gelegt, die andere weit von sich gestreckt, als wehre er einen Angriff ab. Doch das Einzige in diesem Gebäude, das ihn angreifen konnte, lauerte nicht im Apartment, sondern im dunklen Gang hinter seinem Rücken.
Joe stürmte in voller Geschwindigkeit mit gesenktem Kopf und ausgestreckten Armen wie bei einem Football-Tackling auf seinen Gegner los. Der letzte bewusste Gedanke, der Frank vor dem Aufprall durch den Kopf schoss, war, wie sehr dieser muskulöse Collegestudent Superman ähnelte – vor allem, wenn er so angeflogen kam wie jetzt.
Joe traf den kleinen Mann mit der Schulter im Solarplexus, trieb ihm die Luft aus den Lungen und rammte ihn durch die Tür auf der anderen Seite des Korridors, die unter dem gewaltigen Aufprall zu Kleinholz zersplitterte. Sobald Frank die matschige Nässe unter sich fühlte, wusste er, woher dieser ekelhafte Verwesungsgeruch stammte. Es war kein Hund und auch keine Katze, sondern etwas, das Katzen und Hunde angenagt hatten.
Frank schrie auf, als er nach unten schielte und sein Arm bis zum Ellenbogen in der gehäuteten und aufgebrochenen Brust einer Frau verschwand. Ihre Augen starrten ihn an, weit aufgerissen in namenlosem Entsetzen. Ihre Lippen und ein großer Teil der Wangen waren weggefressen worden, ebenso das meiste Fleisch an Oberkörper, Armen und Schenkeln. Purpurfarbene und blaue Flecken überzogen die Überreste. An den Stellen, wo ihr Körper nicht von Aasfressern zerrissen worden war, wirkte er
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