Schaenderblut - Thriller
werden. Angst. Schmerzen. Verwirrung. Mörderische Wut. Letztere wuchs und wuchs, bis sie alles andere verdrängte und das missbrauchte Kind, dass dieser Dämon verletzt hatte, an die Oberfläche zerrte. Joe spannte seine Muskeln an und bewegte seine breiten Schultern, als wollte er sich daran erinnern, dass er nicht länger ein hilfloses Kind war. Er war jetzt ein Mann – ein groß gewachsener und Respekt einflößender Mann. Ein kräftiges Raubtier. Hinter ihm verriegelte der Pfleger die Tür. Joe zuckte bei dem Geräusch zusammen.
Damon Trent hatte sich seit dem letzten Mal, als Joe ihn gesehen hatte, nicht sonderlich verändert. Damals, als er ihn beim Mordprozess quer durch den Gerichtssaal angrinste, hatte er noch den Anschein eines irregeleiteten Sünders erweckt. Mit Ausnahme von Joe traute kaum jemand diesen tollpatschigen dicken Jungen die Morde zu, die ihm zur Last gelegt wurden, aber die Beweislast war erdrückend. Damon wurde nach nicht einmal einer Stunde Beratung in sechs Fällen des Mordes ersten Grades für »nicht schuldig wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit« gesprochen und zu lebenslänglicher Sicherheitsverwahrung in dieser Hochsicherheitsanstalt verurteilt. Sämtliche konsultierten Psychologen waren sich darüber einig, dass er an psychotischen Wahnvorstellungen litt, die seine Fähigkeit, Recht von Unrecht zu unterscheiden, massiv beeinträchtigten.
Die Jahre, die er eingesperrt in dieser zwei mal zwei Meter großen Zelle verbracht hatte, schienen ihn nicht sonderlich verändert zu haben. Dabei würde es selbst einem geistig gesunden Menschen zu schaffen machen, ständig die mattweißen Wände anzustarren, einer ganzen Prozession desinteressierter Seelenklempner die Seele zu Füßen zu legen und jeden Morgen mit dem Orangensaft eine ganze Batterie an Antipsychotika zu sich zu nehmen. Bei Trent hatte das Prozedere keine sichtbaren Spuren hinterlassen. Seine markanten körperlichen Merkmale traten eher noch deutlicher hervor. Was einst Babyspeck gewesen war, hatte sich zu ausgewachsenen Speckrollen herangebildet, die seinen Hals und Oberkörper unter dicken Schichten überflüssigen Fetts verbargen.
Auch sein Gesicht war rund und dicklich und übersät von der gleichen Akne, die ihn schon mit 17 geplagt hatte. Sein öliges Haar trug er noch immer lang und nach hinten gekämmt. Es ließ ihn wie den Heavy-Metal-Fan wirken, der er in der Schule tatsächlich gewesen war. Nikotinfleckige Zähne verliehen seinem Lächeln das dekadente Flair eines Wasserspeiers. Und noch immer sah er viel zu unförmig aus, um gefährlich zu erscheinen, eher wie ein übergroßer Säugling.
Joe wusste es besser. Ein Schaudern kroch unter seine Haut, als Damons kleine Schweineaugen ihn mit entsetzlicher Durchtriebenheit anfunkelten und aufmerksam verfolgten, wie er den Raum betrat und gegenüber von ihm Platz nahm. Die dicken Wangen des sadistischen Päderasten verzogen sich zu einem engelhaften Grübchenlächeln – umso abschreckender wegen der bizarren Ähnlichkeit mit seiner bevorzugten Beute: kleinen Kindern. Als er sprach, kiekste seine Stimme, als wäre er im hormonellen Chaos der Pubertät stecken geblieben.
»Willkommen zurück.«
»Leck mich am Arsch, Damon.«
»Okay. Wenn du schon kein Fan von mir bist, was treibt dich dann hierher?«
»Du weißt, wer ich bin, und offensichtlich weißt du auch, warum ich gekommen bin.«
»Um mich zu töten? Wie willst du das anstellen, solange ich hier eingesperrt bin? Das heißt, ohne den Platz mit mir zu tauschen? Ich versichere dir, dies ist kein Ort für Raubtiere.« Damon zwinkerte ihm zu.
Joes Pupillen weiteten sich.
»Woher ich das alles weiß? Woher ich weiß, was aus dir geworden ist? Was du getan hast? Von den Menschen, die du umgebracht hast? Woher ich wusste, dass du kommst? Weil ich in dir bin, kleiner Joey ...« Er tätschelte seinen Bauch und leckte sich die Lippen. »… und du bist in mir.«
»Und das ist der Grund, weshalb ich dich töten muss.«
»Nur zu! Allerdings sind die Wärter hier ein bisschen übereifrig. Vor allem dieser große schwarze Hurensohn da draußen. Einmal hat er mir fast den Arm gebrochen, als er mich in eine Zwangsjacke stecken wollte. Er ist sich seiner eigenen Stärke nicht bewusst. Wenn er dir den Hals nicht wie ein Stück morsches Feuerholz bricht, dann erschießen dich die anderen Wärter, sobald sich deine Hände um meinen Hals schließen.« Trents dunkle Knopfaugen verengten sich, und sein Grinsen wurde breiter.
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