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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Kletterei.«
    »Der Unfall in den Ferien, oder?«
    »In Südfrankreich. In der Nähe von Avignon. Ich bin einen Brückenpfeiler hoch. Kurz bevor ich oben war, ist es passiert. Ich hatte meinen Eltern nicht gesagt, wo ich hingehe. Deshalb haben sie mich viel zu spät gefunden.« Sie stellte ihr Glas ab. »Dann gab’s eine Odyssee durch verschiedene Kliniken. Es hat alles in allem anderthalb Jahre gedauert, bis ich wieder in die Schule gehen konnte.«
    »Aber ich hab dich auf der Karthause nicht mehr gesehen.«
    Carola schüttelte den Kopf. »Mein Vater hat mich nicht mehr dahingeschickt. Ich bin in ein Internat in Bonn gegangen.«
    »Und jetzt wohnst du hier?«
    »Noch nicht so richtig. Ich will erst einziehen. Oben. Alles war bis vor kurzem noch vermietet. Seit meine Eltern gestorben sind.« Sie lehnte sich in ihrem Rollstuhl zurück und sah ihn an. »Ich bin froh, dass wir uns wieder sehen.«
    Mike konnte sich nicht entscheiden, ob er das genauso sah.
    »Du bist unsicher, hm?«, sagte sie. »Ich kann das verstehen. Nach dem, was ich dir am Telefon erzählt habe, musst du denken, ich hätte sie nicht alle.«
    Mike spürte Erleichterung. »Ehrlich gesagt, du hast Recht«, sagte er. »Im Grunde bin ich nur gekommen, um mir ein Bild davon zu machen, ob du noch bei Verstand bist.« Er musste unwillkürlich grinsen.
    Sie beugte sich nach vorn und sah ihn verschwörerisch an. »Und? Was denkst du?«
    »Die Sache mit dem Geld ist schon mal Blödsinn«, sagte er. »Du hast behauptet, du hättest es genommen. Das glaube ich dir nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil wir uns damals genau über diesen Punkt gestritten haben. Außerdem: Kein Mensch hebt so lange so viel Geld auf.«
    »Warum nicht?«, wiederholte sie.
    »Weil man es ausgibt. Warum sollte man zwanzig Jahre lang eine Million Dollar rumliegen lassen?«
    Carola sah Mike eine Weile schweigend an und nickte nachdenklich. »Ich werde dir alles erklären«, sagte sie. »Weißt du, ich war am Telefon auch etwas komisch, weil ich ja nicht wusste, ob ich dir vertrauen kann.«
    »Vertrauen? Wieso?«
    »Alles der Reihe nach. Zunächst mal: Ich habe damals wirklich das Geld genommen. Ich habe gedacht, wir könnten was davon haben, wenn wir volljährig sind.«
    »Aber das habe ich doch auch gedacht!«, fuhr Mike auf. »Warum hast du nicht zugelassen, dass wir es zusammen holen?«
    Sie sah ihn prüfend an. »Ganz einfach. Ich habe dich für einen unreifen Idioten gehalten.«
    »Was?«
    »Überleg doch mal. Der Pimmel auf der Fahne. Dein pubertäres Gerede von Hollywood und so weiter. Du warst ein infantiles Jüngelchen, das Selbstbefriedigung am Klavier betrieben hat.«
    »Na hör mal!« Er suchte nach Worten. »Wir haben uns doch so gut verstanden …« Er stockte, weil ihm plötzlich alles wieder einfiel – die langen Gespräche an ihrem Geheimplatz über der Mosel, die Nachmittage, an denen er für sie spielte …
    Sie hob beschwichtigend die Hände. »Sei mir nicht böse. Es klingt hart, ich weiß. Aber das war damals mein Eindruck. Am Schluss jedenfalls. Was ich jetzt denke, tut erst mal nichts zur Sache. Ich hatte nach dem Unfall unheimlich viel damit zu tun, wieder gesund zu werden, und dann warst du weg. Ich habe Abitur gemacht und studiert …«
    »Du hast studiert?«
    »Natürlich. Auch Behinderte studieren.«
    »Was denn?«
    »Journalismus. Ich habe sogar ein paar Jahre in dem Job gearbeitet. Das war nicht einfach, wie auch das ganze Studium nicht, aber es ging. Dann habe ich Frank kennen gelernt und geheiratet.«
    »Und die ganze Zeit hast du das Geld gehabt? Und nicht ausgegeben?«
    »Das will ich ja gerade erklären. Ich brauchte es nicht. Warum soll ich Geld ausgeben, das mit einem Verbrechen zu tun hat, wenn ich finanziell prima klar komme? Mein Studium verlief erfolgreich, mein Mann ist Oberregierungsrat im Innenministerium und von Haus aus nicht arm. Außerdem«, fügte sie hinzu, »kam ich selbst nicht mehr dran.«
    Mike stutzte. »Was meinst du damit?«
    »Ich habe es vor meinem Unfall gut versteckt. Auf einer Klettertour. Man kommt nur an das Versteck, wenn man klettern kann. Und das ist für mich nicht mehr möglich. Und ich kann ja schlecht irgendwen damit beauftragen, das Geld zu holen.«
    Mike dachte nach. »Das klingt ziemlich abenteuerlich. Und du meinst, das Geld ist noch da?«
    »Ich weiß es nicht hundertprozentig, aber nach allem, was ich recherchiert habe, müsste es so sein. Ja.«
    Mike beugte sich vor. »Nur damit ich dich richtig verstehe«,

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