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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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vor dem Abi von der Schule gegangen. Das war 1984.«
    Frau Hoffmann winkte ab. »Ich bin schon ein etwas älterer Jahrgang«, sagte sie. »1981.«
    »Sie kommen mir auch gar nicht bekannt vor.«
    »Wir hatten über zweihundert Leute in der Jahrgangsstufe«, sagte sie. »Da kennt man nicht jedes Gesicht. Schon gar nicht nach so langer Zeit.«
    Sie holte den Kaffee und schenkte ein. Mike genoss den ersten Schluck.
    »Ich kann das mit Carola nicht glauben«, sagte Frau Hoffmann.
    Mike berichtete, wie er von dem nächtlichen Spaziergang zurückkam und Carola fand.
    »Sie haben ein Auto wegfahren sehen?«
    Mike nickte.
    »Und Sie konnten gar nichts erkennen? Noch nicht mal den Wagentyp oder so was? Die Farbe?«
    »Ich habe nicht richtig hingesehen. Ich wusste ja nicht, dass es von Bedeutung sein würde.«
    »Wie sind Sie eigentlich auf mich gekommen?«
    »Was?«
    »Woher haben Sie die Verbindung zu mir? Ich meine, wenn Sie mich angerufen haben, dann müssen Sie doch meine Nummer irgendwo hergenommen haben.«
    Mike stellte die Tasse ab. »Ich muss gestehen, ich habe ein bisschen spioniert. Ihre Nummer stand auf einem Notizblock, der auf Carolas Schreibtisch lag.«
    »Und die haben Sie sich gemerkt?«
    »Ich habe den Zettel einfach mitgenommen«, sagte er.
    »Wie bitte? Warum das denn?«
    Mike wurde bewusst, dass er einen Fehler gemacht hatte.
    »Na ja, wie ich schon sagte. Ich wollte hinter die Story kommen …«
    »Und deswegen haben Sie etwas von Carolas Schreibtisch mitgenommen?«
    Jetzt hatte er sich verrannt.
    »Carola sagte, es sei eine wirklich sensationelle Geschichte.«
    »Was denn für eine?«
    »Ich weiß es doch nicht. Aber sie hat es selbst gesagt.«
    Frau Hoffmann war nachdenklich geworden. »Ich frage mich wirklich, was dahinter steckt. Sie erzählen mir hier nicht irgendwelchen Blödsinn, oder?«
    »Sie werden es in der Zeitung lesen können«, sagte Mike.
    »Die habe ich schon gelesen. Es steht nichts drin.«
    »Natürlich erst morgen. Es ist ja heute Nacht passiert.« Er rieb sich mit der Hand über das Kinn. »Sagen Sie, hat Ihnen Carola eigentlich etwas über ihre zerrüttete Ehe erzählt?«
    »Ihre Ehe?«
    »Ja. Sie ist doch wieder nach Koblenz gekommen, weil sie sich von ihrem Mann getrennt hat. Wussten Sie das nicht?«
    »Nein. Das ist ja komisch. Sie hätte es mir bestimmt gesagt …«
    »Kennen Sie die Adresse ›Im Langendorfer Feld‹?«
    Sie sah ihn an. »Das haben Sie heute Morgen schon mal erwähnt, hab ich Recht?«
    Er nickte. »Die Straßenbezeichnung stand auch auf Carolas Block. Genau unter Ihrer Telefonnummer. Ich dachte erst, beides gehört zusammen.«
    »Nein. Das sagt mir nichts. Wo ist das denn?« Sie trank einen Schluck Kaffee und lächelte Mike verschwörerisch an. »Wie ich Sie kenne, haben Sie das doch auch schon rausgefunden.«
    »Es ist in Neuwied. Und wissen Sie, wer dort wohnt?«
    »Sie werden es mir gleich sagen.«
    »Der Mann, der das Bild gemalt hat, das neben Ihrem Fernseher hängt.«
    Sie stellte die Tasse hin. »Wenzes? Natürlich! Langendorfer Feld. Ja, Wenzes kenne ich. Wissen Sie denn nicht, wer das ist?«
    »Nein.«
    »Manfred Wenzes. Er nennt sich Wenzeslaus. Auch ein alter Schulkamerad. Das Bild habe ich mal von ihm gekauft. Wir haben uns wiedergetroffen, als wir zehnjähriges Abschlussjubiläum hatten. Sie müssten ihn doch kennen.«
    Ein Schulkamerad? Dafür hatte der Typ ziemlich alt ausgesehen.
    »Heißt er Wenzes oder Wenzeslaus?«
    »Wenzeslaus ist sein Künstlername. Er ist ein bisschen verrückt.«
    »Das kann man wohl sagen. Ich frage mich, wie seine Adresse auf Carolas Zettel kommt.«
    »Vielleicht war sie bei ihm.«
    »Er konnte mit dem Namen nichts anfangen.«
    »Dann hatte sie eben noch vor, zu ihm zu fahren.«
    Mike nickte. Das war eine mögliche Erklärung. Er überlegte, wie er jetzt am raffiniertesten das Thema wechselte. Ihm fiel keine elegante Lösung ein.
    »Vor ihrem Unfall ist Carola ja viel geklettert«, sagte er. »Das wissen Sie doch sicher.«
    »Schon.«
    »Die Geschichte, hinter der sie her war, hat vielleicht was mit ihrer Kletterei zu tun.«
    »Das kann doch gar nicht sein. Sie ist doch nicht mehr in der Lage dazu. Schließlich sitzt sie im Rollstuhl.«
    »Hat sie nicht irgendwas darüber gesagt, wo sie früher unterwegs war?«
    »Davon weiß ich nichts.«
    Mike stockte. Ihm kam die ganze Situation komisch vor. Diese Frau Hoffmann wirkte zwar erstaunt, aber irgendwie nicht erstaunt genug. Wie würde er reagieren, wenn jemand auftauchte

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