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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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und ihm von Carolas Tod erzählte? Kurz nachdem er sie getroffen hätte? Er wusste es nicht.
    »Ich glaube«, sagte Frau Hoffmann, »Sie waren mit ihr viel enger befreundet als ich.«
    Mike nickte. »Wir haben früher eine Menge zusammen unternommen.«
    »Ja, sehen Sie. Ihr Besuch bei mir war dagegen eher zufällig. Sie scheint einfach alle Kontakte wahrgenommen zu haben, die sie noch aufwärmen konnte.«
    »Und wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
    »Am Freitag, habe ich doch gesagt.«
    »Nein, ich meine davor. Haben Sie sie in Berlin besucht? Oder ist sie zwischendurch mal hier gewesen?«
    »Nein, nein, das muss Jahre her sein, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe. Ende der Achtziger vielleicht. Ja, ich glaube, da habe ich sie mal auf der Straße gesehen. Da hat sie mir auch von der Kletterei erzählt.«
    »War das hier in Koblenz?«
    »Ja. Ich weiß sogar noch, wo. Am Zentralplatz. Wir haben uns aber kaum unterhalten. Sie musste einen Bus kriegen. Und ist schnell eingestiegen.«
    »Schnell eingestiegen?«
    »Ja. Der Bus wollte schon zumachen, da hat sie sich von mir verabschiedet und ist schnell rein.«
    »Ende der Achtziger?«
    Sie nickte.
    »Soviel ich weiß«, sagte Mike, »sitzt sie seit 1984 im Rollstuhl. Sie hat seitdem nie mehr schnell in einen Bus einsteigen können.«
    Frau Hoffmann lehnte sich zurück. »Vielleicht habe ich mich auch geirrt. Vielleicht ist es früher gewesen. Man vertut sich da sehr leicht.«
    Mike sah gedankenverloren vor sich hin. Sein Besuch hier brachte ihn nicht weiter. Carola hatte auf dem Zettel Informationen über alte Bekannte notiert. Das war alles.
    »Was werden Sie jetzt machen?«, fragte sie. »Bleiben Sie noch eine Weile in Koblenz? Zum Detektivspielen?«
    Seine letzte Chance war das Stadtarchiv. Nur wenn er dort einen Hinweis auf das Geldversteck fände, könnte er das Geld bergen. Das würde er heute sicher nicht schaffen …
    »Wissen Sie ein schönes Hotel für mich?«, fragte er.
    Sie hatte sich eine Zigarette angezündet und pustete den Rauch in die Luft. »Worauf legen Sie denn Wert?«, fragte sie.
    »Große Badewanne«, sagte er. »Das ist das Wichtigste.«
    »Das wäre auch meine Antwort«, sagte sie lächelnd. »Nehmen Sie das Mercure.«
    »Wo ist das?«
    »Direkt neben der Rhein-Mosel-Halle.«
    Mike runzelte die Stirn. »Da gibt’s ein Hotel?«
     
    Mike ging durch die Mittagshitze zur Alten Burg. Ob er Detektiv spielen wolle, hatte Frau Hoffmann gefragt. Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Natürlich suchte er nicht nur das Geld. Er wollte wissen, wer Carola umgebracht hatte. Und warum. Ob es mit der alten Geschichte zusammenhing. Oder ob vielleicht der Ehemann …
    Das kriegst du niemals raus, sagte eine Stimme in seinem Inneren. Du hast keine Ahnung, wie Carola gelebt hat. Du weißt nicht, wen sie kannte. Du weißt nicht, welche Feinde sie hatte. Du weißt nicht, welche Motive da eine Rolle spielen können.
    Eines war jedenfalls sicher. Der Mörder hatte es ganz vorsätzlich auf Carola abgesehen. Er war nicht eingebrochen, und er hatte nichts gestohlen. Er hatte noch nicht mal das Haus betreten. Er hatte Carola ganz gezielt und kaltblütig aus dem Weg geräumt.
    Als er den schmalen Durchgang am Irish Pub durchquerte und die Alte Burg in Sichtweite kam, erinnerte er sich an seinen Vater, der immer wieder im schönsten Kowelenzer Platt seine Sprüche geklopft hatte: »Et es besser, wemmer die Aue zomischt on net nix seht«, sagte er, wenn die Mutter abends irgendeine Skandalgeschichte aus der Nachbarschaft erzählte. Zum Beispiel, dass die sechzehnjährige Tochter des unter ihnen wohnenden pensionierten BWB-Beamten schwanger war. Oder dass der siebzehnjährige Sohn des Lehrers zwei Häuser weiter angezeigt worden war, weil er mit der väterlichen Limousine eine Tour durch die Eifel unternommen hatte. Manchmal kommentierte Mikes Vater solche Vorkommnisse auch mit einem anderen Sprichwort: »Et get käi grießer Leid, als dat mer sich selwer andeit.« Dann hatte er nachdenklich genickt und an seiner Zigarre gezogen.
    Diese Worte gingen Mike immer noch im Kopf herum, als er durch die schmale Tür des Stadtarchivs trat und über die steinerne Wendeltreppe des Turms zum Lesesaal gelangte.
     
    Der Archivar legte Mike zwei weiße Pappschachteln mit Filmrollen hin und erklärte ihm, wie man das Mikrofilmlesegerät bediente. Dann zog er sich wieder hinter seinen Schreibtisch zurück.
    Mike legte den ersten Film ein, zog an dem Schieber und stellte das

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