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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Mike stand wieder allein da – mit dem einzigen Unterschied, dass er den asphaltierten Platz vor dem Haus nun mit einem Mofa teilte.
    Plötzlich setzte sich das Rolltor in Bewegung. Scheppernd wanderte die Metallwand nach oben und enthüllte einen großen Raum, in dem Mike merkwürdige Gebilde erkannte. Metallene Skulpturen, die ihn an Gerippe irgendwelcher Phantasiewesen erinnerten. Sie besaßen vier, sechs oder acht Arme, die sie in alle Richtungen streckten. An den Wänden lehnten großflächige Gemälde mit abstrakten Farbflächen.
    Der Mann kam heraus. »Sie sind ja immer noch da.«
    »Kennen Sie Carola Zerwas?«, fragte Mike.
    Der Mann befreite eine Packung Marlboro vom Zellophan, öffnete die Schachtel, zog eine Zigarette heraus und steckte sie an.
    »Wer soll das sein?«
    »Sie hat vielleicht in den letzten Tagen mit Ihnen telefoniert.«
    »Ich habe keinen Anschluss«, brummte er und ging zurück in das Lager mit den Kunstwerken.
    »Warten Sie doch mal«, rief Mike.
    Der Mann drehte sich um, plötzlich fuchsteufelswild. »Wenn Sie jetzt nicht abhauen, hole ich die Polizei!«
    Wie will er das ohne Telefon machen, dachte Mike. »Es ging um Ihre Bilder«, behauptete er. »Sie sind doch Maler, oder?«
    »Und Bildhauer. Und Fotograf. Was dagegen?«
    Mike betrat die Halle. Obwohl der Mann ziemlich abweisend wirkte, unternahm er nichts. Mike sah sich ein Bild an, auf dem ockerfarbene und blaue Seen ineinander zu fließen schienen. Unten rechts las er eine deutliche schwarze Signatur. »Wenzeslaus ’99«.
    »Sind Sie Wenzeslaus?«
    »Lesen können Sie. Das Bild kostet zweitausend Euro. Ihre Carola Zerwas kenne ich aber trotzdem nicht.«
    »Wirklich nicht? Ich dachte, sie wäre hier gewesen. Zum Beispiel wegen Ihrer Bilder.«
    »War sie nicht.«
    »Vielleicht erinnern Sie sich nur nicht. Sie sitzt im Rollstuhl.«
    »Ich habe seit Monaten keinen Besuch mehr gehabt.«
    Mike tat so, als wollte er sich auch noch eine der Metallskulpturen ansehen. Im Hintergrund des Raumes bemerkte er ein paar Stühle und einen Tisch. Daneben stand eine Tür offen, dahinter war es dunkel. Ob dieser Typ hier wirklich lebte?
    »Also gut. Sagt Ihnen der Name Hoffmann etwas?«
    »Wollen Sie Bilder kaufen oder mich weiter stören?«
    »Frau Hoffmann aus der Rheinstraße?«
    »Keine Ahnung.«
    Mike ging zurück zur Straße. Er arbeitete sich durch den Staub zu einem der Arbeiter der Betonfirma nebenan. Dort erfuhr er, dass sonst niemand in der Straße wohnte.
    »Was ist das für ein Kerl da hinten?«, fragte Mike.
    Der Arbeiter winkte ab. »Das ist nur der Wenzes.«
    »Ein Künstler, oder? Ziemlich kratzbürstig.«
    »Der will nur seine Ruhe haben.«
    Und das bei dem Krach, dachte Mike.
    »Eine andere Frage: Haben Sie hier in letzter Zeit eine Frau im Rollstuhl gesehen?«
    Mike erntete einen erstaunten Blick und Kopfschütteln.
    Er drückte sich noch eine Weile bei den anderen Gebäuden herum, aber er fand niemanden, den er fragen konnte. Das Haus von Wenzes war das Einzige, das bewohnt war.
    Es hatte keinen Zweck. Am Auto klopfte sich Mike den Dreck aus dem Anzug und fuhr zurück nach Koblenz.
     
    Um zwanzig vor eins aß er an einer Imbissbude in der Firmungsstraße eine Currywurst. Dann ging er das kurze Stück zu dem Hochhaus hinüber, wo Frau Hoffmann wohnte.
    Es war ein kastenförmiger Betonblock mit einem Gerippe von Balkonen, der sich zwischen Altstadt und Rheinufer breit machte.
    Am Eingang wiesen Aluminiumschilder darauf hin, dass das Gebäude nicht nur Privatwohnungen, sondern auch Rechtsanwaltspraxen und ein paar undefinierbare Firmen beherbergte. In den beiden langen Spalten von Klingelknöpfen fand Mike den Namen, den er suchte. Die Tür öffnete sich sofort, nachdem er gedrückt hatte.
    Mike ließ sich vom Aufzug in die elfte Etage tragen. Frau Hoffmann bot ihm einen unerwarteten Empfang. Sie war barfuß und trug einen hellgelben Bademantel, der bis knapp auf die Oberschenkel reichte. Zuerst war er von ihren langen nackten Beinen abgelenkt. Die Frau registrierte es mit einem Lächeln und wischte sich die lockigen hellroten Haare aus dem Gesicht. Sie wirkten feucht; offenbar hatte sie gerade geduscht.
    »Herr Engel, nehme ich an.«
    Mike nickte, und sie hielt ihm die Hand hin. Sie war warm und rutschig, wahrscheinlich von Creme.
    »Ich bin gerade erst aufgestanden«, sagte sie. »In meinem Beruf wird es manchmal etwas spät.«
    Mike konnte sich täuschen, aber sie schien für einen Moment unsicher zu wirken. Ihr Blick ging kurz

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