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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Gerät scharf. Auf dem Monitor tauchten die Zeitungsseiten aus dem Jahr 1982 vor ihm auf – weiß auf schwarz, im Negativ. Der Archivar hatte ihm versichert, er könne sich von ausgewählten Seiten Positiv-Kopien machen lassen.
    Mike begann Mitte April 1982 und verzettelte sich sofort in einem Wust aus Weltpolitik, Lokalnachrichten, Werbung, Fernsehtipps und jeder Menge anderem Kleinkram.
    Falkland-Krieg, Nicoles »Ein bisschen Frieden« beim Grand-Prix. Die brennende Frage in der Serie »Dallas« hieß »Wer schoss auf J.R.?«. Schnell war Mike im Mai angekommen. Großbritannien hatte nach Drohungen den Kampf auf die Falkland-Inseln eröffnet, und am 22. meldete die Rhein-Zeitung: »Briten verloren 5 Schiffe.« Mike stutzte; er hatte gar nicht in Erinnerung, dass dieser Krieg am Rande der Welt solche Ausmaße erreicht hatte.
    Anfang Juni wurde Romy Schneider in Paris beigesetzt; am selben Tag meldete die Zeitung, dass Vierzehnjährige ab sofort in die Disco dürfen.
    Mike konzentrierte sich mehr auf die Lokalnachrichten. Am 17. Mai, einem Montag, überfielen Bankräuber die Gülser Filiale der Raiffeisenbank und erbeuteten einhundertvierzigtausend Mark. Am Samstag darauf wurden sie verhaftet. Komisch. Obwohl er in Güls gewohnt hatte, konnte er sich daran nicht erinnern.
    Er zwang sich, systematisch vorzugehen. Alles, was er durchsehen musste, waren die Lokalnachrichten zwischen Ende April und Juli. Den überregionalen Teil konnte er vergessen, da stand sicher nichts über Carolas Kletterausflug.
    Er zog den Film zurück in den April. Er musste mit der Suche genau an dem Tag beginnen, als sie auf das Denkmal geklettert waren. Aber welches Datum war das? Er suchte eine Weile, dann fand er den richtigen Ausschnitt.
     
     
     



 
     

     
     
     
    Mike musste unwillkürlich grinsen, als er sich die aufgebrachten Bürger und die ratlose Feuerwehr vorstellte. Carola war eine Pionierin des Freeclimbing gewesen. Vor zwanzig Jahren kannte man diesen Begriff noch gar nicht. Aber sie hatte es schon betrieben.
    Er konzentrierte sich wieder auf die Suche, und sein Blick fiel gleich daneben auf den zweiten Beitrag über das nächtliche Abenteuer.
    »Na, da haben Sie sich ja einen spannenden Fall ausgesucht.«
    Mike erschrak. Er drehte sich um; hinter ihm stand der Archivar. Er blickte interessiert auf den Monitor und überflog die Zeilen. »Hat man jemals rausgekriegt, was dahinter steckte?«, fragte Mike.
    Der Mann nickte nachdenklich. »Erst haben sie geglaubt, es hätte was mit der Bundeswehr zu tun gehabt. Waffenhandel, haben sie gesagt. Dann haben sie die Freundin des Toten in der Mangel gehabt. Und die Mutter.«
    »Haben sie gedacht, die Mutter hätte ihren Sohn ermordet?«
    »Die wussten nicht, was sie machen sollten. Dabei hat die Frau ganz sicher keinem was getan. Die ganze Stadt hat sich damals darüber aufgeregt.«
    »Wofür steht eigentlich das R.? Wenn darüber so viel berichtet wurde, weiß man doch sicher auch den Namen.«
    Der Mann kratzte sich am Kopf. »Fällt mir nicht mehr ein«, sagte er. »Aber warten Sie mal kurz, ich frag die Kollegin. Die weiß das sicher noch.«
    Er wollte gehen. »Einen Moment«, sagte Mike. »Haben Sie die Artikel aus der Rhein-Zeitung auch stichwortartig erfasst? So dass man bestimmte Themen suchen kann?«
    Der Archivar schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir Leid. Kann sein, dass die so was bei der Rhein-Zeitung haben. Da müssten Sie sich an den Verlag wenden.«
    Mike bedankte sich. Ihm ging auf, dass ein Stichwortverzeichnis auch nichts genutzt hätte. Nach welchem Wort sollte er denn suchen?
    Er arbeitete sich noch einmal durch die Lokalteile. Nach einer Weile wusste er, wie die Zeitung aufgeteilt war, und es ging schneller. Etwas schwierig wurde es bei den Wochenendausgaben mit den Massen von Kleinanzeigen.
    Als der Archivar zurückkam, war Mike bei Mitte Juni angekommen und hatte immer noch nichts gefunden.
    »Ramann hieß der Uffz, der damals umkam. Die Mutter wohnte in Ehrenbreitstein.«
    Mike registrierte den Namen, bedankte sich und suchte weiter. Doch so sehr er auch zwischen dem ersten Baggeraushub des Löhrcenters, der Einweihung des neuen Gemeindezentrums auf dem Asterstein, der Eröffnung des Pavillons auf dem Zentralplatz, dem 2,5-millionsten Besucher des Landesmuseums und der Wahl des neuen Kulturdezernenten suchte: Carola oder eine unbekannte Kletterin kam in der Zeitung nicht vor. Bei der Ausgabe Ende August gab Mike die Suche auf. Die letzte Meldung, die er

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