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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Mayer-Zach
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Friedensbauwerks, das sich so strahlend weiß von der Dunkelheit abhob, übte eine eigenartige Wirkung auf mich aus. ,Wer den Stachel des Hasses im Herzen trägt, findet keinen inneren Frieden, kennt keine wirkliche Freude und kein Wohlergehen. Er findet weder Schlaf noch Ausgeglichenheit‘, fiel mir ein Ausspruch des Dalai Lama ein, der mich schon vor Jahren betroffen gemacht hatte. Genauso war mein Leben verlaufen. Mein Hass auf Urban hatte mich aufgefressen. Ich war mit dem festen Vorsatz gekommen, ihm einen Schrecken einzujagen, nun hatte ich nur noch das Bedürfnis, mit ihm, eigentlich mit mir selbst, ins Reine zu kommen. Ich wollte ihm nicht mehr drohen, ich wollte Frieden mit ihm schließen. Vielleicht belastete auch ihn die Vergangenheit, vielleicht bereute er vieles, was er anderen angetan hatte. Ich wollte ihm verzeihen.
    Ich war nervös, als er zur vereinbarten Zeit erschien. Er entdeckte mich sofort, kam auf mich zu, und als er mich schließlich erkannte, begann er lauthals zu lachen. Was ich von ihm wolle, mir sei wohl entgangen, welchen Status er mittlerweile innehabe und dass er, der prominente Bürger, sich nicht von jemandem wie mir zu drohen lassen brauche. Dazu seien seine Kontakte zu gut. Wenn es darauf ankäme, gälte sein Wort mehr als das meine.
    Meine Beteuerungen, dass ich nur Frieden mit ihm und meiner Vergangenheit schließen wollte, waren ihm egal. Ich versuchte ihm von Elsas Tod zu erzählen und wie es dazugekommen war, aber es interessierte ihn überhaupt nicht. Er wollte weggehen, da hielt ich ihn an der Schulter zurück und redete laut auf ihn ein. Doch er schüttelte meine Hand nur wie eine lästige Fliege ab, als ich ihn zwingen wollte, mir in die Augen zu sehen. Ich konnte und wollte nicht glauben, dass jemand so eiskalt sein konnte. Ich muss wohl fester zugepackt haben, denn er stemmte sich gegen mich und schlug auf mich ein. Als ich auswich, verlor er das Gleichgewicht und kam so unglücklich auf, dass er ausrutschte und über die Böschung stolperte. Es gelang ihm nicht mehr, auf den glitschigen Steinen Tritt zu fassen und sich aufzurichten. Er fiel in die Donau. Der Sog des Wassers trug ihn fort. Es war dunkel, und er strampelte wie wild. Ich wusste ja, dass er nicht schwimmen konnte. Einen Moment lief ich neben ihm her, dachte daran, ins Wasser zu springen, um ihn zu retten. Aber ich konnte einfach nicht. Ich war von Neuem so erfüllt von Hass, dass ich in diesem Moment seinen Sturz ins Wasser als göttliche Gerechtigkeit empfand. Ich habe zugesehen, wie er noch einige Male nach Luft ringend an der Wasseroberfläche erschien, dann, irgendwann, war nichts mehr zu sehen und zu hören.“
    Nach diesen Worten herrschte tödliche Stille im Raum. Nur das Vorrücken des Uhrzeigers durchbrach sie. Krein hatte während der letzten Worte auf das Bild in seinen Händen gestarrt. Nun hob er den Kopf und sah Paula geradewegs in die Augen.
    „Ich habe Ihnen das aus zwei Gründen erzählt. Zum einen, weil ich endlich die ganze Geschichte loswerden wollte, zum anderen, weil es mir mittlerweile egal ist, was mit mir geschieht. Ich habe nur noch kurze Zeit zu leben, vielleicht noch einige Monate, vielleicht ein Jahr. Wer weiß. Es ist mir gleichgültig, ob ich hier oder im Gefängnis sterben werde.“
    Er sah Paula herausfordernd an.
    „Sie müssen sich nicht jetzt entscheiden“, fuhr er fort. „Gehen Sie nach Hause, denken Sie über alles in Ruhe nach undwägen Sie ab. Es ist Ihr Leben und Ihre Verantwortung. Sie brauchen keine Rücksicht auf mich zu nehmen. Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben. Es ist das erste Mal seit Elsas Tod, dass ich über all das geredet habe, und allein dafür bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet.“
    Paula wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie war viel zu aufgewühlt. Der Mann hatte tatenlos zugesehen, wie ein Mensch starb. Aber er hatte ein Leben lang für etwas bezahlt, was Urban verbrochen hatte. Nicht, dass dies sein Nichtstun entschuldigte, aber für sie war das eindeutig ein mildernder Umstand.
    „Ich muss mir erst einmal alles durch den Kopf gehen lassen“, erklärte sie ihm ehrlich. „Es war nicht richtig von Ihnen, Urban hilflos im Wasser ertrinken zu lassen, egal, was er Ihnen, Elsa und anderen Menschen angetan hat. Aber ich weiß nicht, ob ich möchte, dass seine Opfer ins Rampenlicht geraten. Ich spreche jetzt nicht von Ihnen – vielleicht kämen Sie sogar mit einem Freispruch davon, weil Sie ein alter Mann sind und argumentieren

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