Schaerfer als Wasabi
besser. War seine Nase noch da?
Plötzlich begann Mitsuko zu kichern, schließlich kippte sie fast nach hinten vor Lachen. Katsuro rempelte seine Schwester mit dem Ellbogen und warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, doch auch er stand ganz offensichtlich kurz vor einem Lachanfall.
Anna reichte Nick ein Stück Brot und nickte ihm zu. „Hier iss, Nick, es wird gleich leichter.“
Nick verschlang ein ganzes Brötchen auf einmal und trank ein zweites Glas Wasser, erst dann wurde es etwas erträglicher. Seine Geschmacksnerven und Nasenschleimhäute waren vermutlich für die nächsten zehn Jahre zerstört. Das war so peinlich.
„Oh Mann!“, japste Nick, als er wieder einigermaßen Luft bekam. Noch immer standen Tränen in seinen Augen. Katsuro grinste.
„Man merkt, dass du noch nie Sushi gegessen hast, Nick. Ich hab dir doch gesagt, dass es sehr scharf ist. Wasabi ist eine Art Meerrettich. Es gibt kaum etwas Schärferes. Man nimmt nur eine Messerspitze davon … ähm – eigentlich.“
„Du siehst aus wie ein Hummer, Nick!“, lachte Mitsuko, sie schien sich prächtig zu amüsieren. „Ganz rot!“
„Ich fühle mich auch wie einer“, antwortete Nick niedergeschlagen. „Ein armer Hummer, eingelegt in Peperoni und ausgestopft mit Pfeffer.“
Jetzt lachten alle. Nun gut, der Ausdruck „Lachen“ war bei Herrn Nakazato etwas übertrieben, aber seine Mundwinkel zuckten verdächtig.
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„Was habt ihr beiden denn heute noch vor, Schatz?“, fragte Anna im Flur, als Nick und Katsuro nach oben gehen wollten. Nick beneidete ihn um die enge Beziehung zu seiner Mutter. Er konnte sich nicht entsinnen, dass ihn seine Mutter je Schatz genannt, oder ihm sonst irgendeinen Kosenamen gegeben hatte.
Nicks Herz krampfte sich zusammen, als er an seinen letzten Besuch bei ihr zurückdachte. Sie verschwendete mit Sicherheit keinen Gedanken an ihn.
Nick zuckte zusammen, als ihn Katsuro an der Schulter berührte.
„Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.“
„Ich war ganz in Gedanken. Was hast du gesagt?“
Katsuro zog die Hand fort und sah ihn an.
„Ich habe dich gefragt, ob du Lust hast, ins Kino zu gehen.“
„Ui ja, ich will auch mit!“, warf Mitsuko ein und hüpfte aufgeregt vor ihnen hin und her.“
„Oh nein, junge Dame. Für dich ist heute Feierabend. Lass die Jungs alleine gehen.“ Anna legte ihr den Arm über die Schultern und lächelte sanft. Mitsuko protestierte, doch Anna blieb hart.
„Und, was meinst du, Nick?“ Katsuro legte er den Kopf schief und wartete auf seine Antwort.
Nicks Puls arbeitete plötzlich wieder auf Hochtouren, langsam glaubte er, verrückt zu werden.
„Ähm … also“, er klemmte sich mit der Rechten eine Strähne hinter das Ohr und nickte. Seine Stimme klang rau. „Ja, Kino hört sich toll an.“
Katsuro strahlte über das ganze Gesicht und nickte. Anna war inzwischen ins Wohnzimmer hinübergegangen, um Mitsuko zu trösten.
„Es läuft gerade so ein toller Weihnachtsfilm im Kino! Alle in meiner Klasse haben den schon gesehen, nur ich nicht“, hörte Nick sie mit weinerlicher Stimme jammern. Nick musterte Katsuro und grübelte.
„Also … meinetwegen, kann uns Mitsuko gerne begleiten“, sagte Nick schulterzuckend. „Dann gucken wir eben den tollen Weihnachtsfilm“, setzte er grinsend hinzu.
Katsuro hob die Augenbrauen. „Bist du sicher? Ich glaube, du weißt nicht, was du dir antust“, gab er skeptisch zurück.
„Na komm schon, es ist in Ordnung“, antwortete Nick. „Tu deiner kleinen Schwester den Gefallen.“
„Dann lass uns hochgehen und uns etwas Wärmeres anziehen. Es ist saukalt draußen.“
Als sie kurz darauf die Tür hinter sich schlossen und die Stufen zu Katsuros Apartment hinaufstiegen, hörten sie noch immer Mitsukos Freudenschreie.
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Nick hatte sich bereits einen warmen Pullover angezogen und wartete auf Katsuro, der noch in seinem Schrank wühlte. Er stand vor Katsuros Bücherregal und sah sich die Titel an. Viele der Bücher waren japanische Ausgaben und ein gutes Dutzend handelte von Karate. Katsuros Sammlung beinhaltete aber auch deutschsprachige Fantasy- und Science Fiction-Literatur von R.A. Salvatore oder David Eddings. Nick zog ein Buch über Karate heraus und betrachtete das Cover.
Karate-do – Mein Weg von Gichin Funakoshi
Unter dem Titel des Buches war ein schwarz-weißes Foto von einem älteren Japaner in traditioneller Kleidung abgebildet. Nick schlug das Buch auf und fand gleich auf der ersten Seite eine
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