Schafkopf
hatten sofort einen Draht. Der Kommissar schilderte ihm die Fakten. Der Psychologe überlegte.
»Also erst mal: Der Mann – oder die Frau, sagen wir halt: der Täter – ist nicht dumm. Und eigentlich bin ich mir sicher, dass es ein Mann ist. Den Keller aufzubrechen, erfordert Kraft. Andererseits scheint die ganze Tat geplant gewesen zu sein, und das spräche zunächst mehr für eine Frau. Frauen töten eher planvoll als Männer, dann aber im häuslichen Milieu. Männer morden eher im Affekt, oft irrational. Wenn sie planvoll morden, und das scheint mir hier so zu sein, dann wollen sie vernichten. Sich nicht befreien, wie das oft bei Frauen der Fall ist, sondern tatsächlich vernichten. Also das und der Kraftaufwand – da sehe ich einen Mann. Und dann sehe ich zwei Elemente: Rache. Und zwar aufgestaut, lange gereift. Das sagt die Brutalität. Man kann einem Menschen die Kehle durchschneiden, man kann ihm das Gesicht wegschießen, ihn vergiften, was auch immer. Ihn aber, und davon gehe ich nach Ihren Schilderungen aus, bei lebendigem Leib in die Luft zu sprengen, das spricht die Sprache von Vergeltung, das hat beinahe sadistische, eher aber würde ich sagen krankhafte Züge. Das hat etwas von zelebriertem Rachenehmen. Von krankhafter Genugtuung. Ich vermute hier einen psychischen Defekt. Der muss vielleicht gar nicht bewusst sein und kann sich auch hinter scheinbar vernünftigen, also für den Täter vernünftigen, Argumenten verschanzen. Das heißt, der ist dem Täter so nicht bewusst, er sieht sich im Recht. Vor sich selbst. Komplizierte psychische Struktur.«
Hartung machte eine Pause.
»Und das zweite Element verwirrt mich ein wenig, muss ich gestehen. Macht aber nichts. Es ist das Trikot. Das ist eindeutig ein Zeichen. Es wurde ja erst nachträglich angebracht; eingeführt, wie Sie gesagt haben. Das hat sicher etwas mit der Kränkung, dem Trauma des Täters zu tun. Da habe ich keinen Zweifel. So etwas macht man nicht einfach so. Das Trikot aber kann jetzt mehrerlei sein. Einmal ein Zeichen an das Opfer, gesetzt von einem kranken Kopf. Oder ein Zeichen an die Nachwelt, die Finder, wen auch immer. Möglicherweise ist es auch nur ein Zeichen an Personen, die es verstehen. Also eventuell das Opfer kennen, irgendetwas aus dessen Umfeld. Immer jedoch will der Täter damit gleichzeitig auch seine Macht demonstrieren. Ob das etwas mit dem Club zu tun hat oder mit dem Spielernamen, ob die Bedeutung in der Rückennummer zu suchen ist, beim Hersteller des Trikots, beim aufgedruckten Sponsor oder sonst welchen Konnotationen – keine Ahnung.«
Wieder machte er eine Pause.
»Aber da sage ich Ihnen sicher nichts Neues«, fügte er an. Ich denke, Sie sind erfahren genug, um das alles schon selbst zu wissen oder zumindest geahnt zu haben. »
»Stimmt«, sagte Behütuns. »Sie waren mir keine Hilfe. Nicht wirklich.«
Sie lachten.
Dann schwiegen sie. Behütuns sah auf seine Hände.
»Eine Frage nur«, fuhr er dann fort. »Ein Gedanke, den ich noch nicht hatte: Sie sagten, das Trikot sei vielleicht auch ein Zeichen an Eingeweihte? Wie ist das zu verstehen …?«
»Es wird jemand umgebracht. Das ist schon ein Zeichen an sich – es führt zurück auf den Mörder, auf das Motiv. Dann wird vom Mörder bei oder an dem Opfer ein Zeichen hinterlassen. Das ist eindeutig ein Hinweis des Mörders, an wen auch immer. An die Welt, an bestimmte Dinge in der Welt, an Personen in der Welt. Personen, die in seiner, also des Täters Welt, eine ganz bestimmte Rolle spielen. Es lässt Rückschlüsse auf die Erlebenswelt des Täters zu, seine psychische Konstitution, seine Art zu denken und zu empfinden. Auf der Ebene aber, auf der das Zeichen an die Welt gerichtet ist, sind zwingend Personen oder Sachverhalte involviert. Und je eindeutiger diese Zeichen sind, desto leichter sind sie zu entschlüsseln, desto leichter ist ihre Zuordnung. Hier aber lässt sich das Zeichen nur schwer oder eigentlich gar nicht zuordnen. Jede Eindeutigkeit fehlt. Und damit stehen mehrere Möglichkeiten offen. Die eine: Der Täter wird eine Botschaft nachschicken. Einen Brief, irgendetwas. Er muss sich erklären, sonst macht seine Tat ja nicht einmal vor ihm selbst Sinn. Darauf können Sie jetzt warten. Die zweite Möglichkeit: Der Täter hat gar kein Interesse an der gewissermaßen öffentlichen Dechiffrierung seiner Nachricht. Er wendet sich ganz bewusst nur an Personen, die das Zeichen verstehen.«
»Was bedeuten würde, wir haben möglicherweise mit
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