Schafkopf
diesen geleitet hatte, hatte von Unfällen und Opfern erzählt wie ein grobschlächtiger Metzger. Da flogen einem die bluttriefenden Leichenteile nur so um die Ohren, die Schicksale dahinter wurden komplett ausgeklammert.
Behütuns hatte erneut einen Aufruf an die Presse weiterleiten lassen: Wer war am fraglichen Abend auf dem Kalchreuther Keller? Wer hat möglicherweise einen gut gekleideten Mittvierziger gesehen? War dieser in Begleitung? Wer kann irgendwelche Angaben machen? Da würden sich wieder alle möglichen Schlaumeier mit den skurrilsten Beobachtungen und Verdächtigungen melden, das wusste er jetzt schon. Mit jeder Menge Arbeit für die Ermittlungen und kaum greifbaren Ergebnissen. Wer setzt sich schon abends auf einen Bierkeller, um Menschen zu beobachten? Da geht man mit Freunden hin, um sich zu betrinken. Oder man schaut allein ins Glas und sinniert über sich und die Welt. Auf jeden Fall ist man am Ende betrunken und kann sich an nicht mehr viel erinnern. Trotzdem musste dieser Aufruf raus.
Eine Meldung noch war aus dem Labor gekommen. Man hatte sich die Hilfe der Bundeswehr geholt, da man auf diesem Gebiet keine Kenntnisse hatte. Es hatte sich wohl tatsächlich um eine Mine gehandelt. Über Fabrikat, Herkunft, Bauart, Funktionsweise et cetera aber konnte man noch keine Auskunft geben. Und das könnte auch noch dauern, immerhin gäbe es weltweit weit über 200 unterschiedliche Arten von Minen, ließ man Behütuns wissen.
Und auch hier Fehlanzeige: Die Kollegen in Ingolstadt hatten den Neo-Nazi Anton Malter, der wegen Minenhandels eingesessen hatte, nicht auffinden können. Er war verschwunden. Auch das war keine Spur, nur ein weiterer Ansatz für Verdacht. Der Tag war ganz einfach zum Kotzen.
Viel sachlicher, allerdings kaum wirklich hilfreich zum jetzigen Zeitpunkt, war da der Psychologe gewesen. Ein erfrischender Mensch. Der Münchner war zwar kurzfristig verhindert gewesen, hatte ihnen aber einen Kollegen aus dem Fürther Krankenhaus empfohlen, der ihnen auch würde weiterhelfen können. Er kenne ihn gut, der habe einen klaren Kopf. Dr. Hartung aus Fürth war dann auch gleich bereit gewesen, ins Präsidium zu kommen. Als ob er nur darauf gewartet hätte, seinem Klinikalltag zu entfliehen. Ein Hüne von einem Mann mit viel zu engem, kariertem Hemd, einem kurzen Mäntelchen und widerborstigem Haar. Es stand, kurz geschnitten, in alle Richtungen weg. Behütuns hatte ihn vom Fenster aus beobachtet, wie er seinem für ihn zu kleinen, aber offensichtlich nagelneuen Mazda unten auf dem Parkplatz entstieg. Abwrackprämie, fuhr es Behütuns durch den Kopf. Der größte Blödsinn aller Zeiten. 30 Prozent Überproduktion in der Automobilindustrie – und dann Milliarden dort hineinpumpen. Das war versenktes Geld. Vor Wahlen aber nahm man Geschenke gerne an, viel lieber als Versprechen. Hat eigentlich einmal jemand nachgerechnet, wie viel Geld Politiker auf Kosten der Steuerzahler regelmäßig unnütz versenken, nur um wiedergewählt zu werden? Und wird von denen jemals einer dafür zur Rechenschaft gezogen? Behütuns ging schon lange nicht mehr zur Wahl. Aus der politischen Teilnahme hatte er sich ausgeklinkt. Inzwischen hatte der Psychologe das Präsidium betreten, an das Produkt der Abwrackprämie unten pinkelte ein Hund; der Hund pisste, und sein Herrchen kratzte sich am Po. Er hatte ein Netzunterhemd an, vor dem Bauch hing es aus der Hose. Viele, die sich eigentlich kein neues Auto gekauft hätten, haben es mit der Abwrackprämie getan. War es nicht, von der Gesamtenergiebilanz her gesehen, sehr viel ökologischer, ein altes Auto bis zum Schluss zu fahren, anstatt sich ein neues, umweltfreundlicheres zu kaufen? Das hatte er einmal gelesen. Irgendwo lag dieser Artikel bei ihm daheim herum und wartete zusammen mit den vielen anderen darauf, endlich einmal systematisiert und abgeheftet zu werden. Das Chaos bei Behütuns daheim wurde immer größer. Gut, dass ich das mit den Frauen abgehakt habe. Das würde eine Katastrophe.
Es klopfte.
»Abwrackprämie?«, begrüßte Behütuns den Psychologen und deutete mit dem Kopf zum Fenster, hinunter auf den Parkplatz.
»Zweifünf für den Uraltgolfeins, zweifünf Rabatt, noch fünf gezahlt – mit Winterreifen, Navi, CD«, erwiderte der.
»Behütuns.« Der Kommissar streckte ihm die Hand entgegen.
»Ja, Gott behüt uns vor Politikern und Politik, vor Wahlen und Wahlversprechen, vor allem aber vor Dummheit! Hartung.«
Sie schüttelten sich die Hand, lachten und
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