Schafkopf
oder hat man ihn hingeschleppt? Was hat er vorher gegessen? Ich könnte noch 50 solcher Fragen stellen. Wurde irgendwo ein Auto gefunden? Eine Vermisstenmeldung von irgendwem, die dazu passt? Mein Gott, hier geht irgendwie gar nichts vorwärts.« Er machte eine kurze Pause, halb resigniert, halb genervt. »Wann kriegen wir die Berichte aus den Labors?«
»Ich denke, wohl kaum vor morgen«, antwortete Jaczek. »Das ist alles nicht ganz so einfach. Es ist ja kein Krimi, in dem immer alles flutscht. Das hier ist die Realität.«
»Okay«, fuhr Behütuns fort. »Dann weiter mit Mutmaßungen im Nebel. Und damit zu mir. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir unsere Zeit verschwenden. Der Staatsschutz hat ziemlich gemauert. Nichts über die rechte Szene. Hofinger scheint unauffällig, die rücken mir da nichts raus. Baut Häuser im Osten irgendwie, oder baute. Alles nur vage Auskünfte. Nur eines habe ich in Erfahrung gebracht – das setzt aber voraus, dass es wirklich eine Mine gewesen ist, was wir ja noch nicht sicher wissen. Es gibt einen Anton Malter aus der Nähe von Ingolstadt. Der war einer von Hofingers Soldaten, damals in der Wehrsportgruppe. Und ist immer noch im rechten Spektrum unterwegs. 1999 wurden bei ihm unter anderem Tretminen, Granaten und Maschinenpistolen gefunden. Er hatte damit gehandelt. Hat dafür auch gesessen. Vielleicht sollten wir uns den einmal etwas genauer anschauen.«
In diesem Moment kam P. A. zur Tür herein.
»Sorry, ich konnte nicht eher. Am Frankenschnellweg war Stau. Alles dicht. Habt ihr schon was?«
Kopfschütteln und Schweigen waren die klare Antwort.
»Ich hab was«, sagte P. A., »zumindest für einen Denkansatz. Der Mann scheint Sauer zu heißen, Dr. Joachim Sauer. Sollte eigentlich zur Zeit in Brasilien sein, mit Sonderauftrag für Savitas. Thematik neue Projekte. Sie haben ihn aber nicht erreicht. War erst ziemlich schwierig, dort etwas zu erfahren. Haben ziemlich gemauert, dann viel telefoniert, ich glaube, mit der Zentrale in Frankreich. Erst als sie erfuhren, um was es geht, waren sie sehr offen. Die fürchten wohl schlechte Presse. Zunächst Mauern und Misstrauen, dann Freundlichkeit und Offenheit. Aber wie gesagt, alles nur unter Vorbehalt. Die Auskunft war, er könnte es sein, man sei sich aber nicht sicher. Man erkenne eine gewisse Ähnlichkeit, aber niemand sagte: »Der ist's!« Ob das Vorsicht war oder mit seinem Auftrag zusammenhängt, kann ich im Moment noch nicht beurteilen. Aber sie haben mir alle nötigen Informationen gegeben.« Und damit nahm er sein Notizbuch zur Hand und las vor:
»Dr. Joachim Sauer, Ingenieur. Geboren in Erlangen, ledig, 42. Wohnhaft in Kalchreuth. Vor sechs Jahren bei Framatome angeheuert, dem Vorgänger von Savitas, jetzt bei Savitas. Viel in der Welt unterwegs, in den unterschiedlichsten Ländern. Hat Vollmachten für Verhandlungen, bewegt sich in den höchsten Kreisen. Leiert international neue Projekte an – ist also überall dort, wo man sich überlegt, Kernkraftwerke zu bauen. Oder wo Savitas denkt, dass die politische Führung passt und man dort vielleicht eines bauen könnte.«
Die Spannung im Raum war zu spüren.
»Na also! Und dieser Sauer ist nicht zu erreichen? Auch nicht in seinem Haus?«
»Nein, seit vier Tagen haben sie keinen Kontakt. Und eigentlich sollte er ja noch in Brasilien sein, aber das sagte ich ja schon.«
»Bauen die da wohl schon wieder Kraftwerke?«
»Das haben sie anscheinend vor, sonst wäre er ja nicht drüben.«
»Na, der richtet kein Unheil mehr an. Wenn er es ist. Besser: war. Doch zur Sache: Wer übernimmt den Staatsanwalt? Wir müssen in seine Wohnung. Durchsuchungsbeschluss. Jaczek?«
»Gebongt.« Jaczek, dachte Behütuns, entscheidet ja immer schneller.
»Ich habe heute Abend noch einmal einen Termin bei Savitas«, ließ P. A. verlauten. »Und ich habe das Gefühl, die wollen sich noch ein wenig sortieren und dann geordnet mit der Information raus.«
»Okay, fahr hin. Dick?« Behütuns blickte ihn fragend an.
»Ich kümmere mich ums Labor. Werde auch den Medizinern mal auf die Finger gucken, dass wir endlich an die Fakten kommen. Sollte eigentlich P. A. machen, aber der hat ja keine Zeit.«
»Perfekt. Morgen früh um acht hier?«
Die Mannschaft stand auf, jeder hatte zu tun. Behütuns musste noch zur Presse, die unten wartete. Er würde ihnen nicht viel erzählen können und hatte das auch nicht vor. Sie hatten ja noch fast nichts, nur Vermutungen. Aber sie hatten eine erste Spur.
Weitere Kostenlose Bücher