Schafkopf
mit im Spiel, überall dieses einheitliche Zeichen. Das erste Trikot trug noch einen Namen, Aaron Suess. Die anderen dann nicht mehr, hatten auch keine Nummern drauf. Nur noch den Sponsor. Ich kann das alles nur so zusammenfassen: Wir haben noch keine Ahnung. Immerhin: Alle Personen stehen in irgendeiner Beziehung zu Savitas, diesem Atomunternehmen. Aber was das Gemeinsame ist, was sie verbindet, da tappen wir völlig im Dunkeln. Das macht alles überhaupt keinen Sinn. Ich will morgen überhaupt gar nicht Zeitung lesen. Die heizen uns wahrscheinlich sauber ein. Leute«, wandte er sich an die anderen, »bewegt eure Ärsche und kriegt etwas raus. Das ist hier schon lange kein Spaß mehr. Und ich weiß genauso wenig wie ihr.«
Hilflos sah er in die Runde.
Hilflose Blicke kamen zurück.
Jaczek schniefte, P. A. zupfte sich am Kinn, Dick sortierte auf dem Tisch seine Papiere. Ratloses Schweigen im Raum.
Von draußen hörte man eine Amsel. Geschmetterter Abendgesang, faszinierend freudig und klar. So kam es hier innen an. Dabei ist eine Amsel nicht freudig, sie singt, weil sie singen muss. Markiert ihr Revier, das sind eher Warnrufe oder Kriegsandrohungen als etwas anderes, und wehe, ein anderes Männchen dringt ein. Die Amselfrau unterdessen muss arbeiten. Die sitzt irgendwo auf den Eiern, hat wahrscheinlich Hunger, kann aber nicht weg. Weil das Männchen singt. Fröhlich? Abendstimmung in der Stadt.
Behütuns zündete sich seine Zigarette an. Damit war die Besprechung beendet.
Wenn ich aufwache, steht mir der Mund offen.
Emmanuel Bove
18. Kapitel
Kriminalkommissar ist ein asozialer Job. Oder ein sozial unverträglicher. Hast du keinen Fall, bist du mit Verwaltung beschäftigt. Hast nichts als Formulare um die Ohren, Papierkram, Akten. Dann bist du unzufrieden, unausgelastet, gereizt, genervt und erträgst keine Menschen um dich herum. Auf deinem Schreibtisch staubt es, und deine wichtigsten Werkzeuge sind Stempel, Büroklammern, Locher. Sollte man nicht glauben, wo heute doch alles per Computer geht. Ginge. Aber mit den Kisten im Präsidium … die brauchen ja schon den halben Vormittag, um hochzufahren. Und selbst wenn: Der Nachweis, dass Computer Papier einsparen, also den ganzen Verwaltungsbürokratiewahn vereinfachen oder beschleunigen, ist noch nicht erbracht. Weil er sich nicht erbringen lässt. Was nicht ist, lässt sich auch nicht beweisen. Also. Hast du als Kriminalkommissar keinen Fall, dann schaust du den Staub an den Fensterscheiben an und fühlst dich genau so. Überflüssig, fehl am Platz, zum Wegwischen. Dann geht dir alles auf den Geist und du den anderen. Vor allem: Dann kann man dich keiner Frau zumuten. Aber hast du einen Fall, dann hast du ihn 24 Stunden, rund um die Uhr, manchmal wochenlang. Du bist der Fall, du lebst ihn. Nichts anderes hat daneben mehr Platz, schon gar nicht eine Frau. Deshalb sind Kriminalkommissare meistens Singles. Oder leben in Trennung, in Scheidung, in Streit. Man muss sich nur diese ganzen Filme ansehen, da ist das überall so. Wie machen denn das Manager? Die arbeiten doch auch den ganzen Tag. Sind nie daheim oder wenn, dann mit dem Kopf woanders. Wahrscheinlich kriegen die einfach mehr Geld. Können ihre Frauen verwöhnen, ihnen etwas bieten, sie zumindest ruhigstellen. Wenn Frauen sich genügend Schuhe kaufen können, mit den Freundinnen ins Café, zum Frisör, zur Pedi- und Maniküre gehen, vielleicht noch den Tennis- oder den Golfplatz mit ihrem schnuckeligen Mini besuchen – dann ist schon viel gewonnen für den Familienfrieden. Bei Kommissaren geht das nicht. Da muss ein Paar Schuhe länger reichen als nur von der Einkaufstüte bis in den Schrank, und an einen Mini extra ist gar nicht zu denken. Oder lag Behütuns damit falsch? Er wäre jetzt gerne heimgefahren zu einer Frau. Zu einer liebenden. Ein schönes Essen auf dem Tisch, Verständnis, ein paar sanfte Worte. Sich ablenken und den ganzen Scheiß einfach für einen Abend vergessen. Aber das war ja das Problem: Den Scheiß konnte man nicht vergessen. Den trug man mit sich herum, der arbeitete in einem, in den Gedärmen, dem Kopf. Der bestimmte einfach die Gedanken. Also hatte eine Frau da keinen Platz. Und wäre eine da, würde sie binnen Kurzem das gemeinsame Terrain verlassen. Sie wäre nur überflüssig oder störend. Es sei denn, auch sie wäre eine Kommissarin. Das wäre natürlich ein Traum! Eine Kommissarin als Frau! Die an den gleichen Fällen arbeitete! Gigantische Vorstellung! Aber wer kümmerte
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