Schafkopf
»Ansonsten aber scheint er mir sauber. Seine Alibis erscheinen fest. Wasserdicht, so wie es aussieht.«
Und nach einer kurzen Pause schob er nach: »Aber ihr glaubt nicht, wie gerne ich dem etwas anhängen würde. Der hätte es wirklich verdient!«
»Also bitte«, schob er in die Runde nach, »wenn ihr irgendetwas findet gegen den, egal was es ist, auch jenseits von unserer Geschichte: Bitte steckt es mir. Ich weiß dann schon damit umzugehen.«
Keiner der Anwesenden sagte ein Wort, keiner erhob irgendwie Einspruch, nicht einmal Jaczek, der ewig Gerechte.
»Eins hast du aber noch vergessen«, mahnte P. A. jetzt bei Dick an.
Der blickte fragend zurück.
»Vergessen? Was?«
P. A. machte die Geste des Telefonierens. Faust mit abgespreiztem Daumen und kleinem Finger am Ohr.
»Ah, ja!« Das schien Dick wieder Freude zu bereiten. »Wir hatten den beiden nichts erzählt von dem Auffinden des Manuskripts. Also vom Manuskript überhaupt. Auf der Rückfahrt aber konnte ich es mir dann nicht verkneifen. Ich rief die beiden an, jeden einzeln. Und setzte sie in Kenntnis von dem Manuskript, auch von dessen Inhalt ganz grob, und der Ausführlichkeit. Und dass sie, da wir vom Wahrheitsgehalt des Manuskripts ausgingen und sie darin die massiv Beschuldigten seien, trotz aller scheinbaren Alibis für uns als Verdächtige gelten. Denn sie hätten für uns ein Motiv, sogar ein ziemlich schwerwiegendes.«
Er grinste schon wieder, oder noch immer. Und das Grinsen wurde noch breiter, fast diebisch oder schadenfreudig, auf jeden Fall unterlegt mit einer guten Portion Zufriedenheit. »Und wenn mir was stinkt, kann ich auch eine richtige Drecksau sein. Und bin's dann auch gern! Dem Marder hab ich das gesteckt mit den Panzern und dem Waffenhobby vom Plötz und dass wir uns darum kümmern werden. Auch wegen der Übereinstimmung mit den Fragmenten seiner Autonummer. Und dem Plötz hab ich gesteckt, dass wir Herrn Marder für verdächtig halten, zumindest im Moment, denn seine Reaktion sei so abartig gewesen, so menschenverachtend und kalt, dass wir ihm als erfahrene Kriminaler vom Grundsatz her alles zutrauen. Die brodelten richtig am anderen Ende der Leitung. Jeder für sich. Die Totenstille war richtig laut.« Dick grinste. Ja, so machte die Arbeit Spaß! Die anderen grinsten auch – bis auf? Jaczek natürlich.
»Wahrscheinlich streuen sie jetzt Gerüchte, ein jeder über den anderen. Vielleicht.«
Behütuns hatte sein Kopfweh vergessen. Oder war es das Bier, das wirkte? Das wäre dann schon bedenklich.
»Trotzdem: Sackgasse«, sagte er in die Runde. »Oder seh ich das falsch? Jaczek, was hast du denn?«
Jaczek hatte sich mit seinem Stuhl zurückgelehnt, die Fußsohlen an der Tischkante, und kippelte. Das machte er oft, wenn er dachte. Und manchmal fiel er auch um. Jetzt aber hatte er die Wand hinter sich und konnte sich mit der Lehne abstützen. Zum Umkippen bestand also keine Gefahr. Auf dem Fenstersims landete eine Taube, und alle außer Jaczek schrien auf. Behütuns warf eine Papierkugel gegen die Scheibe. Panisch stob die Taube davon. Ihre Flügel klatschten, und sie stieß ein erschrecktes oder empörtes »Gurrr« aus.
»Ratten!«, zischte Behütuns. Selbst Jaczek war kein Freund der Tauben, nur zeigte er es nicht so. Er kommentierte aber auch nicht die Aktion. Das war bei einem wie ihm schon als Zustimmung zu werten.
Auch Jaczek war den ganzen Tag über unterwegs gewesen. Bei Savitas hatten sie wieder gemauert. Die Strategie war ganz offensichtlich: Was der Mann, Dr. Joachim Sauer, gemacht hat, geben wir nicht preis, das müsst ihr selbst in Erfahrung bringen, und grundsätzlich stritten sie alles ab. Man drohte sogar, gegen Verdächtigungen in der Presse gerichtlich vorzugehen, auch gegen die Polizei, die man schon im Vorfeld als Urheber deklarierte. Denn die hegte ja irgendeinen Verdacht, sonst würde sie nicht so herumschnüffeln.
Auch bei den Sprengstoffern war das nicht anders. »Hier aber«, unterbrach Jaczek seinen Bericht und schaute bedeutungsvoll, »hier wird noch was kommen, das habe ich so im Gespür. Hab mich mit ein paar Alten unterhalten, eher zufällig, die standen draußen vorm Zaun, waren auf dem Weg zu den Fürthern, hinter zum Trainingsgelände, ein bisschen zuschauen. Was man im Alter so macht. Da freu ich mich auch schon drauf. Irgendwann später mach ich das auch. Als Rentner den ganzen Tag kiebitzen. Rentner gucken zu, wissen alles – und alles ein bisschen besser als die anderen.«
Einen
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