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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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alles rund, und es juckte ihn, die anderen Peters anzurufen, sie am Sonntagmorgen zu quälen. Aber er ließ Gnade vor Gemeinheit ergehen. Es genügte, wenn einer sich das ansah. Er.
    Das Navi war scheiße. Sorry für den Ausdruck, der fällt schon zum zweiten Mal an diesem Tag. Aber das konnte er gar nicht anders sagen. Denn das Navi war genau so und kein bisschen anders. Sicher, es führte ihn über herrliche Straßen, vor allem für einen sonnigen Sonntagmorgen. Aus Nürnberg heraus auf die Kalchreuther Höhe hinauf und auf dem Weg dorthin auch noch am Keller des ersten Mordes vorbei. Am Hinweisschild an der Straße waren Blumen aufgestellt worden und auf einem Zusatzschild stand: »Wegen Todesfall geschlossen«, außerdem war quer über den Weg ein Absperrungsband gespannt. Gewesen. Es war zerrissen worden und lag auf dem Weg. Trotzdem – oder deshalb? – fuhren gerade vier Fahrradfahrer den Weg über die Wiese hinüber zum Keller. Das auf jeden Fall sah er, dann war Behütuns schon daran vorbei. Von Kalchreuth aus führte das Navi ihn den langen Abhang zwischen Kirschbäumen und Wiesen hinunter in die Senke und dort über Dormitz und Neunkirchen nach Hetzles. So weit, so gut. Irgendwann würde er sich diese Orte alle einmal ansehen, dachte er. Eigentlich laden sie alle ein. Jetzt aber war keine Zeit dafür – und dieses Vorhaben, die Orte einmal anzuschauen, würde er sofort wieder vergessen, das wusste er längst. Das passte zeitlich nie, und wenn man einmal Zeit dazu hatte, hatte man keine Lust. So war das, und daran war nichts zu ändern, sonst wäre es ja schon geschehen. Man muss sich nehmen, wie man ist, und gut ist's. Alles andere ist nur Quatsch und stresst dich, frisst dich auf. Warum willst du ein andrer sein? Ich will's doch gar nicht. Also.
    Das Navi sprach und führte. So ging es aus Hetzles raus und auf schotterigem Weg den Berg hinauf. Ein Waschbrettweg, alles im Auto klapperte. Harte, regelmäßige Wellen, von Stoßdämpfern geschlagen. Entweder ganz langsam fahren und im Rhythmus schön durch jedes Bodenwellental oder ganz schnell und nur von Bodenwellenkamm zu Bodenwellenkamm fliegen, den Weg also nur touchieren. Er entschied sich für Letzteres. Im Rückspiegel sah er die riesige Staubfahne, die er aufwirbelte. Die meisten Autofahrer entschieden sich wohl so, denn die Büsche und Bäume entlang der Strecke waren weiß vor Staub. So ging's bergan.
    Nach einem steilen Waldstück schließlich war er oben, ein weites, baumloses Plateau, der Hetzles ist ein Tafelberg. Dann lenkte ihn das Navi nach rechts auf einen lösigen Feldweg. Das wollte es zumindest. Doch Behütuns war wach. Ohne Traktor wäre er dort wohl schön hinein-, niemals aber mehr herausgekommen. Der Weg bestand aus schwernassem, tiefem Boden, sonst war da nichts.
    Wer programmierte eigentlich diese Geräte? Wer speiste ihnen die Karten ein, und mit welcher Erfahrung? Das zählt mit zum Ärgerlichsten, das dir passieren kann: das Ziel vor Augen – und du kommst nicht hin. Denn drüben, wo sich das Plateau des Berges fast unmerklich senkte, sah er den Tower, sah Motor- und Segelflugzeuge und auch Menschen stehen. Dort war der Flugplatz, und dort musste er hin. Er telefonierte kurz, dann lief er über das Feld. Mit dem Auto, hatten sie ihm gesagt, würde er mehr als 20 Minuten brauchen. Ganz weit im Bogen außen herum. Da wäre er zu Fuß doch schneller. Sie winkten ihm schon von drüben.
    Hoch oben flogen Lerchen und jubilierten unter dem blauem Sonntagshimmel, unten stapfte er mit seinen Schuhen, die immer dicker und schwerer wurden, über den Acker. An den schienbeinhohen Halmen glitzerte noch Tau und benässte ihm die Hose. So kam er an – mit feuchten, erdverschmierten Jeans und Elefantenfüßen. Fünf Kilo fetter Lös an jedem Schuh, und das ohne einen Schluck Kaffee im Bauch. Außerdem schwitzte er. Wahrscheinlich roch er auch noch aus dem Hals, er schmeckte noch den Schlaf im Gaumenraum. Gab es hier irgendwo Wasser? Er sehnte sich nach einem Glas.
    In den Tiefen seiner Hosentasche, Gott sei Dank, fand er ein altes Päckchen Fisherman's Friend, grün. Schon einmal mitgewaschen, so wie es aussah. Völlig zerzaust und aufgelöst, doch innerhalb der Folie trocken. Was für ein Wunder! Unbemerkt versuchte er, sich daraus einen Drops zu fingern.
    »Ach, könnte ich bitte auch eins haben?« Ein Polizist in Uniform bat ihn darum. Es war ihm peinlich, dieses Tütchen anzubieten. Dem Polizisten schien es egal zu sein. Auch bei ihm

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