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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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Dienstwaffe auf den Tisch legen, dann die von Holl Zimbeck in die Hand geben. Mit der Pistole zwang er die beiden Polizisten, sich an die Heizung fesseln zu lassen. Zimbeck wählte eine rostfreie Stelle aus. Zuletzt war Zimbeck aus dem Fenster des ebenerdig gelegenen Zimmers gesprungen und im Nebel verschwunden.
    Er keuchte. Es waren Sirenen zu hören, Blaulicht zuckte durch den dichten Dunst. Sie durchkämmten die Miesbacher Innenstadt. Zimbeck stieß sich erschöpft von der Hausmauer ab, an der er lehnte. Von irgendwoher hörte Zimbeck das Lachen einer jungen Frau. Es erinnerte ihn an das Lachen von Susi. Damals, als sie noch gelacht hatte. Als sie beide noch glücklich waren. Und heute? Susi hatte ihn verraten. Aber das hätte sie niemals von sich aus getan. Sie hatte es getan, weil es diesen anderen gab, der sich in ihr Leben geschlichen hatte, der sie aufgehetzt hatte, während Zimbeck im Gefängnis saß. Zimbeck konnte sich nicht vorstellen, was an dem anderen dran war. Es musste ein Waschlappen sein, wahrscheinlich einer, der den Weibern Honig ums Maul strich und ihnen Komplimente in den Arsch blies. In jedem Fall ein Feigling. Sonst hätte er sich offen gestellt.
    Zimbeck wurde durch Schritte aus seinen Gedanken gerissen. Sie waren hart und hektisch und kamen aus der Quergasse. Gleich würden sie da sein. Wut kam hoch in Zimbeck. So eigentlich hatte er sich noch gar keine Gedanken gemacht, warum er auf der Flucht vor der Polizei war. Das war normal in seiner Welt. Aber dieses Mal hatte er gar nichts verbrochen. Susi und ihre hinterkünftige Verwandtschaft hatten ihm einen Mord angehängt, den er nicht begangen hatte. Und das war eine Schweinerei, wenn man mal gründlich drüber nachdachte. Die Schritte wurden lauter.
    Zimbeck lief weg. Die kleine Straße hinunter, nach zwanzig Metern links in einen Durchgang zwischen zwei Häusern. Als es lichter wurde, stand er in einem Hinterhof mit bunten Abfalltonnen. Ein Schritt zur Seite, und man konnte ihn von der Straße aus nicht mehr sehen. Er streckte den Kopf vorsichtig über die Mauerecke hinaus. Von hier aus war die Straße nur verschwommen zu sehen. Selbst auf die kurze Entfernung machte sich der Nebel bemerkbar. Zwei Polizisten hasteten vorbei, nur eine halbe Sekunde lang sichtbar zwischen Hauswand und Hauswand. Der Hof wurde rückwärtig von einem Gartenzaun begrenzt, an dem zwei Holundersträuche wuchsen. Zimbeck sprang über den Zaun und war jetzt auf dem Nachbargrundstück. Auch dort ein Mietshaus. Er schlich bis zur Hausecke. Neben dem Haus drei Garagen, eine davon offen, davor ein Wagen mit laufendem Motor. Der Fahrer machte gerade das Garagentor zu. Als er zu seinem Wagen zurückging, hörte er nichts, sah nichts und ahnte nichts von Zimbeck. Das änderte sich erst, als der Mann auf dem Fahrersitz Platz nehmen wollte.
    »Entschuldigung«, sagte eine Stimme von hinten.
    Der Fahrer erschrak ein bisschen, denn der fremde Mann war wie aus dem Nichts aufgetaucht.
    »Ja«, sagte der Fahrer und lächelte unsicher. Der Fremde war ihm nicht geheuer.
    Die riesige Faust sah er kaum. Es war das Geräusch seines brechenden Nasenbeins, das ihm in Erinnerung bleiben sollte. Und wie der Schlag seinen Kopf mit ungeheurer Wucht nach hinten schleuderte, so dass er das Gleichgewicht verlor und hintenüberfiel, was wiederum dazu führte, dass sein Nacken zwischen Tür und A-Säule des Wagens eingeklemmt wurde. Noch während er heftig aus der Nase blutend und benommen darüber rätselte, was ihm gerade passierte, wurde er von seinem Peiniger mit einem Ruck aus der Verklemmung befreit und verlor unmittelbar darauf das Bewusstsein. Die Ärzte konnten später rekonstruieren, dass der Mann am Haarschopf gepackt und mit brachialer Wucht gegen den Kotflügel des Wagens geschlagen worden war, wo er mit der Schläfe zuerst auftraf. Zimbeck zerrte den schlaffen Körper in die Garage und durchsuchte die Kleidung. Eine Brieftasche mit vierhundertzwanzig Euro Bargeld und zwei Kreditkarten sowie ein eingeschaltetes iPhone fielen ihm in die Hände. Zimbeck zog das Garagentor hinter sich zu.
    Im Wagen fand er eine Pelzmütze russischer Machart mit Ohrenklappen. Die war zwar ein bisschen warm für die Jahreszeit, verdeckte aber viel vom Gesicht. Zimbeck setzte sie auf. Ebenso wie die Sonnenbrille, die in einer Ablage auf der Mittelkonsole des Wagens lag. Er war jetzt perfekt getarnt, konnte aber nichts mehr sehen. Der Nebel schluckte so viel Tageslicht, dass selbst mittags Dämmerung

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