Schafkopf
herrschte. Als Zimbeck den Wagen zur Straße lenkte, schoss ein Streifenwagen vorbei. Niemand beachtete Zimbeck. Der Wagen wurde nicht gesucht. Und das würde sich nicht ändern, bis man den Besitzer fand. Zimbeck legte den Gang ein und fuhr los. Ob Susi noch im Wirtshaus war?
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55 . Kapitel
D en kriegen wir schon wieder«, sagte Kreuthner. Neben ihm stand ein schweigsamer Holl und studierte das Muster des Bodenbelags. Kreuthner konnte nichts dafür, dass Zimbeck entkommen war. Er hatte nicht darüber zu befinden, wer Zimbeck bewachte. Niemand hatte damit gerechnet, dass Zimbeck sich von seinen Handfesseln befreien könnte. Sonst hätte man nicht zwei unerfahrene Kollegen mit der Aufgabe betraut. Nun war alles schiefgelaufen, was schieflaufen konnte.
»Wird nicht so einfach werden bei dem Nebel.« Wallner war für seine Verhältnisse außergewöhnlich nervös. »Wo wird der hingehen?«
Kreuthner wiegte den Kopf hin und her. »Zur Susi schätz ich. Habt’s wen, der bei der Wirtschaft aufpasst?«
»Nein«, sagte Wallner. »Ich werde jemanden hinschicken. Aber das kann dauern. Die können bei dem Nebel höchstens dreißig fahren.«
In diesem Moment betrat Lutz den Raum. Sein Gesicht verriet, wie es in seinem Inneren aussah. Er hatte Angst.
»Und?«, fragte Wallner.
»Sie geht net dran. Keine Ahnung, was da los is. Sie hat … sie hat gesagt, dass sie im Wirtshaus bleibt. Ich versteh des net.«
»Vielleicht ist sie mal kurz weg.«
»Die hätt doch ihr Handy dabei. Ich … ich muss jetzt da hin.«
»Okay«, sagte Wallner. »Fahr hin. Wir versuchen weiter, sie ans Telefon zu bekommen. Ich schick dir Verstärkung. Also mach nichts alleine, falls du Zimbeck triffst, hörst du? Warte, bis genug Leute da sind.«
Lutz nickte, schien aber nicht zugehört zu haben.
Susi war kalt gewesen. Obwohl sie alle Ölöfen aufgedreht hatte. Die Kälte war von innen gekommen. Er war weg. Das war gut. Die Polizei hatte ihn. Auch das war gut. Aber wie lange? Sie hatte nicht gewollt, dass Lutz geht. Aber er hatte gesagt, es sei jetzt alles in Ordnung. Er wolle nur schauen, dass es bei der Polizei so lief, wie er sich das vorstellte. Nicht dass jemand Zimbeck versehentlich freiließ. Gegen Abend wollte er sie abholen und zu sich nach Hause bringen.
Susi ließ ein heißes Bad ein. Während das Wasser lief, war sie durch die Wirtsstube gegangen. Hatte den Tresen betrachtet, hinter dem er nicht mehr stand. Hatte den Stammtisch betrachtet, an dem legendäre Soli und Wenzen gespielt worden waren und an dem er nicht mehr saß. Der Raum war leer. Nur sie war hier und der Geruch nach kaltem Rauch und altem Bohnerwachs. Und dennoch war die Luft dieselbe, die er noch gestern geatmet hatte. Sie hatte die Fenster aufgemacht und gelüftet. Es half nichts. Er würde nie aus diesem Wirtshaus weggehen.
Susi ließ sich in das heiße Wasser gleiten, bis es ihr über dem Kopf zusammenschwappte. Es war lautlos hier unten in der Wanne. Nur wenn sie mit dem Plastikgips gegen den Wannenrand stieß, gab es ein hallendes Geräusch. Es war ruhig und friedlich hier unten und warm. Aber auch ungeschützt. Wenn er in diesem Augenblick ins Badezimmer käme, sie würde es nicht merken. Adrenalin machte sich in ihrem Körper breit bei dieser Vorstellung, schoss von den Zehenspitzen bis in die Stirn, der Solarplexus drückte ihr auf Herz und Lungen. Sie öffnete die Augen und sah durch die Wasseroberfläche nach oben. In diesem Moment wurde das Licht im Bad dunkler.
Lutz fuhr durch den dichten Nebel. Quälend langsam. Aber immer noch schneller, als es vernünftig war. Keine dreißig Meter weit konnte er sehen. War Zimbeck auch in dieser Suppe unterwegs? Unterwegs zur Mangfallmühle? Wenn ja, dann fuhr er vermutlich schneller. Zimbeck war einer, dem die Verkehrsregeln am Arsch vorbeigingen, was auch für seine eigene Sicherheit galt. Lutz wählte Susis Nummer. Es war besetzt. Wahrscheinlich versuchte gerade jemand von der Polizei, sie anzurufen. Oder war es Zimbeck? Die Hände am Lenkrad waren feucht. Lutz war in Panik. Susi war nicht zu erreichen, und Zimbeck irgendwo im Nebel unterwegs zu ihr. Oder er war schon da. Und das war der Grund, warum Susi nicht ans Handy ging. Lutz wurde übel bei dem Gedanken. Im Bruchteil einer Sekunde tauchte das silberne Wagenheck aus dem Nebel auf, eine halbe Sekunde brauchte Lutz, um zu reagieren. Als er auf der Bremse stand, kam das Wagenheck unerbittlich näher, und es wurde offensichtlich, dass der Bremsweg
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