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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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Strommast. Ab und zu tauchte eine Kuh aus dem Nebel auf, sah den hastigen Wanderer verwundert an. Am Ende der Wiese stieg Zimbeck über den Zaun, überquerte den Weiderost und den kleinen Bach, der am Parkplatz des Wirtshauses vorbeifloss, bevor er in die Mangfall mündete. Jetzt konnte Zimbeck den Matratzenrost, die abgefahrenen Traktorreifen und die Ziegelsteine neben dem Holzschuppen erkennen. In den letzten zwei Jahren war die Zeit hier stillgestanden. Susis Wagen stand auf dem Parkplatz. Es war der einzige Wagen. Kein Polizeifahrzeug. Sie waren noch nicht da. Aus dem Haus hörte er die hektische Klingelton-Melodie.
     
    Sie stand vor dem Spiegel und föhnte sich die Haare. Das Geräusch des Föhns machte sie nervös. Es übertönte alles. Da konnte einer ins Bad kommen, und man hörte ihn nicht. Wenn einer ins Haus kam, hörte man ihn schon gar nicht. Aber wer sollte kommen? Zimbeck war in Polizeigewahrsam. Jedenfalls war er das vor ein paar Stunden noch gewesen. Andererseits – man wusste nie bei ihm. Aber wenn er ausgebrochen war, hätte Lutz angerufen. Vielleicht hatte er das ja. Der Schweiß brach ihr aus unter den halbtrockenen Haaren. Vielleicht war es ja Lutz gewesen, weswegen unten in der Wirtsstube in einem fort die Mozartmelodie erklang, die Susi jetzt schon wieder im Ohr hatte. War das nur Einbildung? Ihr war, als spielte jemand »Alla turca« da draußen hinter der Badezimmertür. Susi machte den Föhn aus, lauschte. Es war totenstill. Nur diese dünne, schnelle Melodie in Moll kam von irgendwoher, fast wie aus dem Jenseits. Wer versuchte so verzweifelt, sie anzurufen? Susis Atem ging schneller.
    Sie trug den grauen Jogginganzug aus Baumwolle und Sneakers, als sie die Treppe hinunterkam. Das Handy hatte aufgehört zu klingeln. Es zog hier unten. Nur ganz leicht. Susi ging dem Luftzug nach und sah, dass die Tür des Hintereingangs offen war. Sie schloss manchmal nicht richtig und ging dann von selbst auf. Bevor Susi das Badewasser eingelassen hatte, war die Tür zu gewesen. Möglicherweise hatte der Wind sie aufgedrückt. Das passierte gelegentlich. Susi schloss die Tür. Etwas irritierte sie dabei. Sie öffnete die Tür wieder und sah nach draußen. Am anderen Ende des Parkplatzes standen zwei Birken im Nebel. Dahinter begann eine undurchdringlich graue Wand. Nur noch wenige gelbe Blätter hingen an den Birken. Es waren Trauerbirken mit hängenden Zweigen, und sie erinnerten Susi an eine chinesische Tuschzeichnung, die sie einmal gesehen hatte. Vor allem eins erinnerte an die Zeichnung: Die Zweige bewegten sich nicht. Keinen Millimeter. Sie standen still wie auf einer Fotografie. Es war absolut windstill wie schon seit Tagen. Was also sollte die Tür aufgestoßen haben? In diesem Moment begann das Handy wieder zu spielen.
    Susi stand vor den Garderobenhaken im Gang zu den Toiletten. Ihre Jacke hing am Haken. Erneut klingelte das Handy. Aber der Ton kam nicht aus der Jacke. Er kam von woanders, hinter ihr, aus dem Gastraum. Susis Knie wurden weich. Ein kribbelndes Gefühl stellte sich in ihren Füßen ein. Sie ging die paar Schritte, bis sie in den Gastraum sehen konnte. Zuerst sah sie den Stammtisch, darauf ein einsames Glas Bier, fast voll. Jemand hatte schon angetrunken. Doch keiner saß am Tisch. Noch drei Schritte und Susi stand im Gastraum. Das Handy klingelte wieder. Susi drehte sich erschrocken um. Dort stand Zimbeck, das Handy in der Hand. Er hielt Susi das Display entgegen. In großer Schrift war darauf das Wort »Lutz« zu lesen.
    »Dein Freund Lutz hat schon sechs Nachrichten hinterlassen. Und dann hat a Miesbacher Nummer öfter angerufen: zwei neun neun zwei neun neun. Kommt mir auch bekannt vor. Ist, glaub ich, die Polizei. Warum gehst denn net hin? Die sind echt in Panik.«
    Susi schwieg und schluckte.
    Zimbeck steckte das Handy in die Jacke. »Ich steck’s mal ein. Dann kann ich’s dir geben, wenn’s wieder läutet.«
    Susi kaute auf ihrer Unterlippe und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Weniger aus Trotz, mehr weil ihr kalt war. »Bist wieder draußen?«
    »Ja. Die haben das eingesehen, dass sie den Falschen erwischt haben. Und dann hat der Kommissar gesagt: Entschuldigen Sie, Herr Zimbeck. Es war ein Irrtum. Sie sind ein freier Mann.«
    Susi war unsicher. War das denkbar? Hätte Lutz das zugelassen? Und warum hätte dann die Polizei versucht, sie anzurufen?
    Zimbeck lachte. »War a Spaß. So einen wie mich lassen die net frei. Und wenn er’s zehn Mal net war. Das

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