Schafkopf
interessiert keinen.« Pause. »Na ja – dich interessiert’s vielleicht … hab ich immer gedacht.«
»Ja natürlich. Natürlich interessiert’s mich.« Susi versuchte zu lächeln.
»Warum lieferst mich dann ans Messer? Warum erzählst den Bullen, wo die Pistole is?«
»Hab ich net.«
»Ach, da sind die selber draufgekommen?« Zimbeck zog die Augenbrauen hoch.
»Keine Ahnung, wie die da draufgekommen sind. Von mir haben sie’s nicht. Das musst mir glauben.« Sie wirkte verzweifelt. Die Lüge sprang ihr aus dem Gesicht.
Zimbeck sah Susi lange an. In seinem Blick lag Sehnsucht. Die Sehnsucht danach, ihr zu glauben. Der Wunsch, dass sie immer noch zu ihm stehen würde, egal was käme. »Susi«, sagte er schließlich, »es ist in letzter Zeit net alles so gelaufen, wie’s hätt laufen sollen. Du hast es net leicht mit mir gehabt. Das weiß ich. Ich hab mich oft net im Griff.«
Susi wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, und zuckte unsicher mit den Schultern.
»Ich weiß, da draußen gibt’s an andern Kerl. Lutz?«
Susi schwieg.
»Ist mir egal. Was ich sagen will: Wir haben auch andere Zeiten gehabt. Wo’s anders war zwischen uns. Mir ham an Spaß gehabt und ham Scheiß gemacht und waren gut drauf. Und für mich …«, er stockte, schluckte. »Für mich bist du immer noch die Frau meines Lebens. Lass uns noch mal anfangen, Susi. Einfach noch mal anfangen.«
Susi sah seine Augen. Selbst in der dämmrigen Wirtsstube leuchteten sie hellblau. Die schwarzen, fast femininen Wimpern gaben ihm etwas Verträumtes. Wenn er sie mit diesen Augen ansah, war ihr, als stünde ein Kind vor ihr. Hinter diesen Augen verblassten die breiten Schultern, die muskulösen Arme und die vom vielen Zuschlagen vernarbten Hände. Könnte sie wählen und nur diese Augen haben, ohne all das, was an ihm brutal und gemein war, könnte sie nur die Momente haben, in denen diese Augen sie zärtlich und voller Sehnsucht anblickten, ohne die Zeiten, in denen sie vom Alkohol berauscht und verschwommen waren, in denen sie Aggression und Hass versprühten – sie wäre mit Peter Zimbeck ans Ende der Welt gegangen.
»Was schaust denn so«, sagte er. Seine Stimme war sanft, fast zärtlich. »Lass uns von vorn anfangen. Wie damals am Waldfest in Enterrottach.«
»Wie soll das gehen? Die Polizei ist hinter dir her.«
»Wir hauen ab. Wir beide zusammen. Die kriegen uns net bei dem Nebel. Ich hab mir das überlegt. Wir schlagen uns über die Grenze nach Österreich durch. Da organsier ich uns a Auto. Und dann fahr ma nach Italien. Bis die nach uns suchen, samma längst weg. In Genua gehen wir auf a Schiff nach Südamerika. Und dann beginnt a neues Leben. Stell dir des vor: Mir zwei in Rio. Immer Sonne, Samba und den ganzen Scheiß. Oder willst den Rest von deinem Leben aufm Schrottplatz verbringen?«
Susi zögerte. Er klang immer gut, wenn er Pläne machte. Aber es war sinnlos. Die Polizei würde sie kriegen. Und selbst wenn nicht – in der Fremde wäre sie ihm noch mehr ausgeliefert. Irgendwann würde er sie wieder mit seinen blauen Augen betrunken und voll Hass anstarren und ihr die Kehle zudrücken. Auch wenn sie sich das im Augenblick nicht vorstellen konnte. »Es geht net. Es hat keinen Sinn. Schau, dass du von hier wegkommst. Vielleicht schaffst es ja bis Italien.«
Zimbeck nickte traurig und sah dabei auf den Boden. »Und du sagst der Polizei auch nicht, dass ich nach Italien will, oder?«
»Nein, natürlich nicht.« Susi meinte es in diesem Augenblick fast ehrlich.
»Natürlich nicht. Du hast denen ja auch net g’sagt, wo die Pistole is.«
»Nein. Das hab ich nicht. Hab ich ja gesagt.«
»Die G’schicht hat nur einen Haken …«
Er lächelte unergründlich. Susi wagte nicht zu fragen, was der Haken war.
»Du hast mich schon genug verarscht. Auf geht’s. Wir nehmen meinen Wagen. Steht hinter der Weide.« Zimbeck ging zu den Garderobenhaken, nahm Susis Lederjacke von der Wand und warf sie ihr zu.
Sie schlüpfte in die Jacke und überlegte, was sie tun konnte. In der Jackentasche waren die Schlüssel für das Wirtshaus. Wenn sie es schaffte, zur Vordertür hinauszulaufen und sie abzusperren, würde ihr das so viel Vorsprung verschaffen, dass sie mit ihrem Wagen verschwinden konnte, bevor er ihr über die Hintertür gefolgt war. Zimbeck wies ihr mit einer Geste den Weg zur Hintertür. Susi nickte, machte einen Schritt in die angewiesene Richtung, doch dann drehte sie um und rannte auf die Eingangstür zu. Dazu
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