Schafkopf
musste sie um einen langen Tisch herumlaufen, der im Weg stand. Doch Zimbeck war schneller. Er sprang über den Tisch und stand plötzlich zwischen ihr und der Haustür. »Du spinnst ja wohl«, hauchte er und ging mit Wut im Blick auf Susi zu, versuchte sie am Arm zu packen, erwischte aber nur ein Stück des Lederjackenärmels. Susi holte mit ihrem Gipsarm aus und schlug ihn Zimbeck mitten ins Gesicht. Es war mehr die Überraschung als die Wucht des Schlages, die Zimbeck zurücktaumeln und über einen Wirtshausstuhl fallen ließ. Susi rannte jetzt in die andere Richtung, zur Hintertür. Sie hatte die Tür noch nicht erreicht, da hörte sie schon Zimbecks Schritte näher kommen. Als sie die Tür aufriss, sah sie ihn im Augenwinkel um die Ecke schießen, hörte seinen Atem. Sie stürzte nach draußen und schlug die Tür hinter sich zu. Den Bruchteil einer Sekunde dachte sie daran, den Schlüssel aus der Jacke zu ziehen und zuzuschließen. Aber das hätte zu lange gedauert. Stattdessen nahm sie einen zusammengeklappten Biergartenstuhl und schob ihn unter die Klinke. Er hatte genau die richtige Höhe. Im selben Augenblick wurde auch schon die Klinke nach unten gedrückt. Aber der Stuhl blockierte die Klinke. Zimbeck war eingesperrt. Das würde freilich nicht lange dauern. Schon warf er sich mit aller Kraft gegen die Tür.
Susi rannte zur Hausecke und von da weiter auf den Parkplatz zu ihrem Wagen. Hektisch zerrte sie die Wagenschlüssel aus ihrer Jackentasche und ließ sie auf den Boden fallen. Sie rutschten unters Auto. Susi kniete sich hin, um sie aufzuheben. Im selben Moment hörte sie, wie hinter dem Haus eine Tür barst. Dann schnelle Schritte. Susi griff nach den Schlüsseln, sprang auf. Das Adrenalin zuckte ihr bis in die Fingerspitzen. Zimbeck tauchte an der Hausecke auf und stürzte auf sie zu. Vielleicht könnte sie sich ins Auto setzen und rechtzeitig die Zentralverriegelung drücken. Er kam näher. Nur noch wenige Schritte. Susi versuchte, den Schlüssel ins Autoschloss zu schieben. Aber die Hände zitterten. Die Schlüssel fielen erneut zu Boden.
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56 . Kapitel
D ie Fahndung nach Zimbeck lief auf Hochtouren, wenn man das so bezeichnen konnte. Tatsächlich bewegte sich alles in Zeitlupe. Die Polizeifahrzeuge konnten wegen des dichten Nebels nur langsam fahren. Wallner hatte in München anfragen lassen, wie lange ein SEK nach Schliersee oder Rottach brauchen würde; man musste bei Zimbeck mit allem rechnen. Die Antwort war ernüchternd: zwei Stunden mindestens. Hubschrauber konnten bei diesen Sichtverhältnissen nicht fliegen.
Unter welchen Umständen auch immer – die Fahndung lief. Wallner konnte sich jetzt um Frau Falcking kümmern und sie nach anderen Unterlagen ihres Mannes fragen. Er erreichte Anette Falcking im Haus ihrer Eltern. Sie zeigte sich kooperativ. Allerdings – wandte sie ein – habe sie bereits alle Unterlagen ihres Mannes der Polizei übergeben.
»Gibt es eine Akte, die Ihr Mann für Sie angelegt hat und in der er möglicherweise auch eigene Unterlagen abgeheftet hat?«
»Er hat eine Akte für mich angelegt. Da steht drin, was ich für Vermögenswerte habe. Ich hab ehrlich gesagt nie reingeschaut.«
»Dann seien Sie doch so nett und sehen mal rein. Ich warte so lange am Telefon.« Wallner wäre gern selbst nach Gmund gefahren, um die Akte einzusehen. Aber das hätte bei dem Nebel eine halbe Stunde gedauert. Außerdem wollte er Miesbach nicht verlassen, solange Zimbeck im Landkreis herumgeisterte. Er musste auf der Kommandobrücke bleiben. Nach zwei Minuten war Frau Falcking wieder am Telefon.
»Im hinteren Teil der Akte sind Sachen, die irgendwie nicht dazugehören. Das sind Notizen über Gespräche. Ist es das, was Sie suchen?«
Es war das, was Wallner suchte. »Haben Sie ein Faxgerät?«
Wallner las mit Interesse den gefaxten Aktenvermerk, den der Anwalt Jonas Falcking vor über einem Jahr angefertigt hatte. Es war ein Gesprächsprotokoll. Eine Frau Leitbichler hatte Falcking aufgesucht, weil sie von ihrem Mann geschlagen wurde und Angst hatte, er würde sie umbringen. Falcking hatte die Frau darüber aufgeklärt, welche juristischen Möglichkeiten sie hatte, um sich gegen ihren Mann zur Wehr zu setzen. Alle Vorschläge wurden von Frau Leitbichler verworfen, da ihr das Risiko zu hoch erschien, Opfer der Rachsucht ihres Mannes zu werden. Im Laufe des Gesprächs habe die immer verzweifelter wirkende Frau den Anwalt gebeten, ihr einen Profikiller zu vermitteln. Sie
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