Schafkopf
meinem Apparat geführt wird.«
Janette murmelte beim Hinausgehen Sätze, in denen die Worte »bigott« und »Heuchler« vorkamen.
Mike, der die ganze Zeit schweigend dabeigesessen war, grinste Wallner an und nahm einen von Falckings Aktenvermerken vom Schreibtisch. Er überflog den Text und schüttelte den Kopf. »Kann das sein, dass es genau umgekehrt war?« Mike ließ das Fax wieder auf den Schreibtisch gleiten.
»Was meinst du?«
»Dass Falcking den Frauen angeboten hat, einen Killer zu besorgen.«
»Und in den Vermerken zu seinem Schutz behauptet, es wäre umgekehrt gewesen?«
»Genau so.«
»Das würde die Häufigkeit dieser Gespräche erklären. Eigenartig nur, dass es nie geklappt hat.«
»Na hör mal – wer heuert schon einen Killer an?«
»Da geb ich dir recht«, sagte Wallner. »Andererseits: Wenn ich Anwalt bin und hab einmal versucht, einen Killer zu vermitteln, und es hat nicht geklappt – vielleicht versuch ich es noch ein zweites Mal. Aber dann wird mir die Sache doch zu heiß. Mach ich das wirklich fünf Mal? Ich muss doch Angst haben, dass eine der Damen zur Polizei geht.«
»Ich würde es nicht machen«, gab Mike zu.
Das Telefon klingelte. Wallner nahm mit entschuldigender Geste den Hörer ab, nannte seinen Nachnamen und bestätigte dem Anrufer, dass er Clemens Wallner sei. Dann verfinsterte sich seine Miene. Ja, er werde sofort kommen.
Wallner legte auf. Mike sah ihn fragend an.
»Mein Großvater hatte einen Unfall«, sagte Wallner nach einer Weile.
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57 . Kapitel
28 . September 2009 , 19 Uhr 45 : Der Lichtkegel schwenkte über den Schotter und die vereinzelten Bäume, als Falcking auf dem nächtlichen Parkplatz einbog. Tagsüber im Sommer war der Ort von Leben erfüllt. Hunderte von Autos standen dicht nebeneinander aufgereiht in der Sonne. Ihre Besitzer verweilten mit Luftmatratzen, Handtüchern und aufblasbaren Krokodilen am Seeufer. Der Kirchsee war wegen der moorigen Schwebstoffe in seinem Wasser einer der wärmsten Seen Oberbayerns. Familien mit Kindern schätzten das. In dieser Herbstnacht hingegen war der Parkplatz verwaist. Die Kreuzottern hatten sich in ihre Winterverstecke verkrochen, kniehoher Bodennebel waberte, und der Schrei der Käuzchen hallte übers Moor, dass es einem klamm wurde ums Herz. Falcking hatte den Ort wegen ebendieser Wirkung gewählt.
Der Scheinwerferkegel erfasste einen Kleinwagen. Er war das einzige andere Fahrzeug auf dem Parkplatz. Falcking hielt an, stieg aus und ging zu Susi Lintinger, die frierend neben ihrem Auto stand.
»Warum treffen wir uns hier?«, fragte Susi Lintinger. Sie klang ängstlich.
»Gehen wir ein Stück von den Autos weg«, sagte Falcking und sah sich um, als ob er sich vergewissern wollte, dass sie von niemandem beobachtet wurden. Als sie etwa fünfzig Meter schweigend gegangen waren, richtete er wieder das Wort an die junge Frau.
»Es kann sein, dass meine Kanzleiräume abgehört werden. Und auch bei meinem Wagen bin ich mir nicht sicher.« Falcking zog den Kragen seines Mantels hoch.
Susi Lintinger sah Falcking alarmiert an. »Was ist passiert? Hat das was mit …«, sie zögerte, »… mit uns zu tun?«
»Möglicherweise. Es ist leider etwas schiefgegangen.«
Die junge Frau brachte keinen Ton heraus. Sie stand mit offenem Mund da und wollte vermutlich nicht wissen, was Falcking ihr jetzt zu sagen hatte.
Das war der unappetitlichste Teil des Geschäfts. Falcking hasste es. Andererseits – es traf ja keine Unschuldigen. Im Gegenteil. Seine Opfer waren bereit zu morden. Was ihnen widerfuhr, würde sie lehren, dem Leben anderer mehr Achtung entgegenzubringen. Diese Argumente hatte Falcking schon viele Male vor sich ausgebreitet und mit der Zeit glaubte er fast, was er erzählte. Trotzdem – ein beschissenes Gefühl blieb.
»Unser Mann ist verhaftet worden. Ich habe es vorhin von einem Mittelsmann erfahren und Sie dann sofort angerufen.«
»Verhaftet? O Gott! Wissen die von uns … von mir?«
»Es ist wegen einer anderen Geschichte. Die Polizei ist ihm irgendwie dahintergekommen. Ich glaube nicht, dass die was von unserem Auftrag wissen. Ich habe Ihren Namen natürlich rausgehalten. Andererseits –
wenn
die Polizei etwas weiß, dann stößt sie auch auf Sie als eigentliche Auftraggeberin.«
»Wieso glauben Sie das?« Susis Herz fühlte sich an wie in einem Schraubstock, sie bekam kaum noch Luft.
»Dass ich als Anwalt nichts gegen Ihren Freund habe, ist doch klar. Und wer hat so großes
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