Schafkopf
Einen Anhaltspunkt hat Kummeder kurz vor seinem Tod selbst noch geliefert: Er hat zum Kreuthner gesagt, ein Rechtsanwalt namens Falcking wüsste etwas über den Verbleib von Kathrin Hoogmüller. Das ist die verschwundene Freundin des Opfers. Ob das irgendetwas mit dem Mord zu tun hat – keine Ahnung. Wir haben Herrn Falcking noch nicht erreicht, ihm aber auf die Box gesprochen. Im Moment ist folgende Frage vorrangig: Der Schütze muss gewusst haben, dass Stanislaus Kummeder heute am frühen Morgen auf den Riederstein geht. Wir müssen deshalb herausfinden, warum der Kummeder heute mit einem Zehn-Liter-Fass Bier da hoch ist und wer davon gewusst hat.«
»Die Frage kann ich dir beantworten.« Mike war in diesem Moment aus dem Wirtshaus gekommen.
»Ah, der Kollege Hanke hat sich wieder eingefunden. Wie sind die Temperaturen da drin?«
»Ausgesprochen angenehm. Ich tät vorschlagen: Jeder, der keine Daunenjacke hat, geht jetzt rein.«
»Interessanter Vorschlag. Ich denk drüber nach. Du wolltest uns sagen, wer alles von Kummeders Bergausflug wusste?«
»Das nicht. Aber ich kann dir sagen, warum der hier oben war«, sagte Mike, und sein Grinsen schwankte zwischen Triumph und Provokation.
»Und? Mach’s nicht so spannend.«
»Tja – hamma das alle vergessen, Herrschaften?« Mike machte eine Pause, um die gespannten Gesichter seiner Kollegen zu genießen. »Genau heute vor drei Jahren gab’s hier oben schon mal an Toten. Und das war auch a ziemlich schräge G’schicht.«
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8 . Kapitel
4 . Oktober 2006 : Von allen denkbaren Todesarten hatte sich Mirko Dlugovic eine der seltsamsten ausgesucht. Er war nachts aus dreißig Metern Höhe auf eine mit siebzig feiernden Frauen besetzte Terrasse gestürzt. Vielleicht hätte er den Sturz mit Knochenbrüchen überlebt. Aber da war noch der alte Schirmständer gestanden. Ohne Sonnenschirm. Nur der runde Fuß aus Waschbeton mit dem eisernen Rohr, in das der Schirm gesteckt wurde. In dieser Nacht wurde also kein Schirm in das Rohr gesteckt, vielmehr steckte das Rohr im Hinterkopf von Dlugovic, nachdem er seinen Absturz beendet hatte.
Zum Verständnis des Vorfalls muss man weiter ausholen: In den späten Siebzigerjahren hatte sich im Landkreis Miesbach eine lose Vereinigung von emanzipatorisch gesinnten Frauen zusammengetan, die sich »Die Talhexen« nannten. Anfangs rekrutierten sich die Talhexen im Wesentlichen aus Schülerinnen und alternativ ausgerichteten jungen Frauen, die sich in alten Häusern und Bauernhöfen im Tegernseer Tal und seiner Umgebung eingerichtet hatten. Als die politische Arbeit im Laufe der Zeit zugunsten von Freizeitaktivitäten in den Hintergrund rückte, kamen mehr und mehr normale Frauen vom Land dazu. Sogar einige junge Bäuerinnen schlossen sich an. Zwei Mal im Jahr feierten sie das »Bergfest der Talhexen«. Im Frühjahr, oft in der Walpurgisnacht, und im Herbst. Zu diesen Bergfesten waren nur Frauen zugelassen. Das störte viele Männer, vor allem die Ehemänner und Freunde der teilnehmenden Frauen. Zumal nicht ganz klar war, was die Weiber da alle halbe Jahre auf dem Berg trieben. Gut informierten Kreisen zufolge passierte nicht allzu viel, außer dass getrunken und geratscht und getanzt wurde. Um aber die Männer zu ärgern, sagten die Frauen ihnen nichts Genaues, sondern machten ein Geheimnis daraus.
Die einzigen Männer, die zu den Festen Zutritt hatten, waren drei junge Kellner, die eine der Initiatorinnen in einem Schwulenlokal im Münchner Gärtnerplatzviertel angeheuert hatte, sowie vier muskelbepackte Securitykerle, die mit Polizeistiefeln und Lederkappen vor der Galaun standen und an den feiernden Frauen ebenfalls kein Interesse hatten. Eher schon an dem einen oder anderen der jungen Burschen, von denen immer wieder welche hinaufkamen und meinten, sie müssten ihr Mädel da rausholen. Aber es war kein Durchkommen durch die Muskelmänner. Selbst einer wie der Zimbeck hatte wenig Lust auf eine Prügelei mit den Securitytunten. Denn die hatten Elektroschocker und Pfefferspray und setzten das in Ausübung des Hausrechts auch ein.
Dlugovic hatte am Vorabend des Herbstbergfestes mit seinen Spezln Zimbeck und Kummeder lange in dem Wirtshaus im Mangfalltal beisammengesessen und beraten, was man tun könne. Zimbeck reute es schon, dass er Susi erlaubt hatte hinzugehen. Es ihr doch noch zu verbieten, hätte so ausgesehen, als fürchte sich Zimbeck vor irgendetwas, kam also nicht in Frage. Wesentlich besser war es, die Veranstaltung
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