Schafkopf
durch eine total ausgefuchste Aktion zu sabotieren. Auf viel waren sie aber nicht gekommen. Schließlich waren sie darauf verfallen, mit Feldstechern bewaffnet auf dem Riederstein Posten zu beziehen, und zwar gleich am frühen Morgen. Sie wollten den ganzen Tag und die ganze Nacht dort verbringen, um herauszufinden, was die Frauen unten auf der Galaun anstellten. Zur Abrundung des Plans wurde weiters beschlossen, dass jeder ein Zehn-Liter-Fass Bier mitnehmen sollte, damit man es sich auf dem Riederstein auch gemütlich machen konnte.
Und so verbrachten die drei Männer den ganzen Tag auf dem Riederstein und beobachteten die Galaun. Aber nichts geschah, außer dass gegen Abend die weiblichen Gäste aus dem Tal heraufkamen und anfingen zu feiern. Es wurde dunkel, und die drei Männer hockten immer noch auf dem Riederstein, während es unten auf der Galaun recht lustig zuging, wie man hören konnte. Oben am Kircherl hingegen ging das Bier zur Neige und langweilig war es auch. Da fassten die drei Männer den Plan, den Weiberleuten da unten einen gehörigen Schrecken einzujagen. Und zwar sollte der Dlugovic, weil er Drachenflieger war, mit dem Drachen vom Riederstein hinabfliegen und dabei als Teufel verkleidet sein und schaurige Geräusche machen.
Der Plan war gut, hatte aber den Nachteil, dass man einen Drachen dafür brauchte. So stiegen also die drei Männer ins Tal hinunter, holten den Drachen von Dlugovic, trugen ihn den Berg wieder hinauf und bastelten ihn vor der Riedersteinkapelle zusammen, was kein einfaches Unterfangen war, denn die Nacht war dunkel, und Platz gab es eigentlich auch keinen, um das Gerät zusammenzustecken. Danach musste Dlugovic schwarze Skiunterwäsche, eine schwarze Motorradmütze mit Sehschlitzen und schwarze Springerstiefel anziehen, womit er einem Teufel äußerlich verdammt nahekam, wie Zimbeck und Kummeder fanden. Der Clou aber waren zwei Designer-Edelstahl-Gasfackeln aus dem Baumarkt, die die unheimliche Wirkung des herabschwebenden Teufels noch verstärken sollten.
Dlugovic musste vom Eisengeländer aus starten, das die Riedersteinkapelle umgab, was ein wackliges Unterfangen war. Er konnte sich nur am Drachen festhalten, der wiederum von Zimbeck und Kummeder gehalten wurde. Zwei Mal stürzte Dlugovic mitsamt dem Drachen fast in den Abgrund und wurde in letzter Sekunde von Zimbeck gepackt und wieder übers Geländer gezogen. Die zehn Liter Bier forderten ihren Tribut. Doch schließlich stand Dlugovic auf dem Geländer, wenn auch schwankend und mit zitternden Knien. Kummeder reichte dem Kameraden die beiden Fackeln und fragte, ob er die auch wirklich entzünden könne, wenn er am Drachen hinge. Dlugovic lallte, dass die Fackeln sein geringstes Problem seien, und flog davon. Mit jener letzten Überzeugung irrte Dlugovic auf tragische Weise. Als er sich im Anflug auf die Wirtshausterrasse befand, bemerkte niemand den dunklen Drachen mit dem schwarz gekleideten Piloten vor nächtlichem Himmel. Auch die schaurigen Laute, die Dlugovic ausstieß, verfehlten gänzlich ihre Wirkung, da es ihm nicht gelang, die Musikanlage auf der Wirtshausterrasse zu übertönen. Und so schwebte der Teufelsdrachen leise und von niemandem bemerkt durch die Nacht. Das letzte Mittel, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, waren die Gasfackeln. Und da wollte Dlugovic sozusagen nichts mehr anbrennen lassen. Er drehte den Gasfluss auf Maximum und drückte den Zündknopf. Tatsächlich bot sich nun den Frauen auf der Galaun ein unvergesslicher Anblick. Aus beiden Fackeln schoss eine meterlange Stichflamme, die augenblicklich den Drachen in Brand setzte, der daraufhin mit furchterregender Geschwindigkeit und funkenstiebend auf die Terrasse zugeschossen kam. Zum Schluss war es nur noch das brennende Drachengestell, an dem Dlugovic hing, als er gegen die Regenrinne des Wirtshauses prallte und gewissermaßen vom Dach des Hauses abtropfte. Das, was von dem brennenden Drachengestell übrig war, bremste den Aufprall, und Dlugovic lebte noch – bis zu dem Moment, da er die restlichen zwei Meter vom Dach auf die Terrasse plumpste, nach hinten fiel und sich den Sonnenschirmständer durch die Hypophyse rammte. Der Schirmständer hatte an dieser Stelle natürlich nichts zu suchen und stellte eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Veranstalter dar. Gleichwohl verneinte das Landgericht in einem später von den Erben angestrengten Prozess eine Haftung mit der Begründung, es bestehe kein Unrechtszusammenhang
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