Schafkopf
Scheiß. Und sie meint, das Trinkgeld gehört ihr! Ich fass es nicht!«
»Entschuldige, aber war die Kathi hier? Sie ist weg, und ich mach mir Sorgen, dass ihr was passiert ist«, mischte sich Kummeder in das Gespräch.
Zimbeck wandte sich zu Kummeder und sah ihn empört an. »Jetzt geht’s grad net um deine blöde Matz, okay? Ich hab hier was zu klären.«
Mit diesen Worten drehte er sich wieder zu Susi um und zog sie an ihrem T-Shirt zu sich. »Ich will mein Geld. Wo ist die Kohle? Los!«
Susi sah ihn verheult an und schwieg. Der nächste Schlag hieb ihr den Kopf mit einer Wucht zur Seite, dass sie mit dem Gesicht gegen den rauhen Wandverputz schlug. Sie spürte etwas Warmes im rechten Auge. Es war Blut, das aus der aufgeplatzten Augenbraue sickerte. »Ich hab’s nimmer«, sagte sie leise.
»Was?!«, schrie Zimbeck und riss sie an den Haaren zu sich.
»Das ist doch das Radl von der Kathi«, sagte auf einmal Kummeder mit zitternder Stimme. »Die hat die Kohle der Kathi gegeben!«
In diesem Augenblick hörte man, wie auf der Vorderseite des Hauses ein Motorrad gestartet wurde. Unmittelbar darauf entfernten sich die Motorengeräusche. Kummeder rannte los.
Zimbeck packte Susi am Hals. Seine Hand war so groß, dass er ihren Hals fast vollständig umfassen konnte. »Du blödes Stück Scheiße. Ich hab dich aus der Gosse geholt. Ich hab alles für dich getan und du …?«
Susi roch Alkohol und Zigaretten in seinem Atem. Zimbeck war betrunken. Er würde gleich ausrasten und sie schlagen. Richtig schlagen. Das, was bis jetzt vorgefallen war, war nichts im Vergleich zu dem, was Zimbeck anrichten konnte, wenn er wirklich außer Kontrolle geriet. Doch Zimbeck schlug nicht zu. Stattdessen wurde der Griff um ihren Hals immer enger. Wut verzerrte Zimbecks Gesicht. Susis Herz raste. Jetzt war er gekommen, der Moment, von dem sie all die Jahre gehofft hatte, er würde nicht kommen. Obwohl sie doch wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er es tun würde. Susi bekam keine Luft und spürte, wie sich das Blut in ihrem Kopf staute. Zimbeck schwieg und drückte seine Hand wie eine Garotte um ihren Hals. Susi hatte immer gedacht, er würde ihr den Schädel einschlagen oder das Genick brechen. Dass es so lautlos geschehen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. In weniger als einer Minute würde sie tot sein.
Vor dem Haus fuhr ein Wagen röhrend in den nächtlichen Wald.
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11 . Kapitel
D ie Nachtfröste waren früh gekommen dieses Jahr. Regen hüllte die Landschaft in graue Schleier. Mike und Wallner fuhren durch Hügel mit nassen Wiesen, die von Baumreihen abgegrenzt wurden. Hage nannte man diese Pflanzungen. Zwischen den grün belaubten Linden, Eschen und Bergahornbäumen leuchtete es immer wieder gelb und rot. Da hatte der Nachtfrost einen Baum erwischt und ihm das Grün aus den Blättern getrieben. Wallner fragte sich, während die Wiesen und Bäume an ihm vorbeiglitten, warum es den einen Baum traf und den an seiner Seite nicht. Denkwürdig fand er auch, dass die Bäume ihr Sterben ankündigten und noch Tage und Wochen in leuchtender Pracht die Landschaft zierten, bevor sie ihr Laub abwarfen und kahl und knorrig in den Wintertod verfielen. Bis es im nächsten Frühjahr wieder grün spross und das Leben aus dem trockenen Geäst drängte, um dem Wanderer das Herz zu füllen und …
»Ein Dreckswetter. Da kannst ja depressiv werden«, sagte Mike. Die Heizung war auf die höchste Stufe gestellt. Wallner hatte seine Daunenjacke an, Mike trug ein T-Shirt. Beim Nachdenken über den herbstlichen Tod der Bäume war Wallner eingedöst und sein Kopf auf den Reißverschluss der Daunenjacke gesackt. Mike ließ die Fensterscheibe der Beifahrertür nach unten fahren. Ein Schwall feuchtkalter Herbstluft schoss Wallner ins Gesicht und ließ ihn aufschrecken. Mike deutete nach draußen. Dort war ein Bauernhof zu sehen, und es roch nach Misthaufen.
»Wir sind da. Frag mal den Alpöhi, wo der Kummeder wohnt.«
Wenige Meter voraus entlud ein älterer Mann mit Räuber-Hotzenplotz-Bart, Blaumann und grünen Gummistiefeln eine Schubkarre Mist. Mike hielt neben dem Mann, der sich dem offenen Wagenfenster zuwandte und begrüßungshalber mit dem Kopf nickte. Wallner fummelte seinen Dienstausweis aus der Daunenjacke und hielt ihn aus dem Fenster.
»Griaß Eahna.« Wallner hielt einen volksnahen Sprachduktus in dem Fall für angebracht. »Mir täten die Wohnung vom Kummeder suchen.«
»Hundert Meter weiter. Hinter der
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