Schafkopf
machen uns immer viel zu viel Gedanken.« Schauchmeier drehte das Schnapsglas zwischen seinen Wulstfingern. »Wie viel tät denn da rausspringen?«
»Fünfzehn oder zwanzig Prozent. In einer Woche. Ich müsste natürlich meinem Bankerspezl was rüberschieben. Umsonst ist der …« Falcking konnte sich noch rechtzeitig bremsen. »Umsonst macht der das natürlich auch nicht. Der riskiert ja was. Aber du hast eh nichts über, sagst du.«
»Nein«, bedauerte Schauchmeier. Beide schwiegen eine Weile und ließen ihre Gedanken schweifen, die aber immer wieder zum gleichen Gegenstand zurückkehrten.
»Echt ein Jammer, dass immer die anderen diese Geschäfte machen. Und einmal, wenn man selber an eine heiße Information kommt …« Falcking kippte den restlichen Obstler runter und sah kurz zu Schauchmeier, der das Obstlerglas in seiner Zyklopenhand hielt und ins Leere blickte.
»Na ja …«, sagte Schauchmeier zögernd.
»Na ja – was?«
»Vielleicht sollt ich mal mein Taschengeld a bissl was arbeiten lassen.« Das »Taschengeld« hatte sich Schauchmeier über die Jahrzehnte erarbeitet. Immer wenn jemand einen Job ohne Rechnung zu vergeben hatte, Privatleute, die einen Graben für den Abwasseranschluss haben wollten oder ein Loch für den Swimmingpool im Garten brauchten, dann hatte er das für Bargeld gemacht und das Bargeld in eine Sporttasche gesteckt, die er im Keller aufbewahrte.
»Das heilige Taschengeld!«, sagte Falcking mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Ironie. Schauchmeier hatte bislang nur einem einzigen Menschen von dem Schwarzgeld im Keller erzählt, und das war sein Schwiegersohn. Mit seiner Frau Maria redete Schauchmeier nicht übers Geschäft und mit seiner Tochter schon gar nicht. Frauen hatten nach Schauchmeiers Überzeugung keinen Sinn fürs Geschäft. Sein Schwiegersohn hingegen, der hatte Sinn fürs Geschäft. Das hatte man gesehen, wie der innerhalb kürzester Zeit zum besten Verkäufer bei Leitzachziegel aufgestiegen war. In einer obstlerseligen Nacht hatte Schauchmeier Falcking in den Keller geführt und ihm die Tasche gezeigt. Ein bisschen stolz war er schon darauf, dass er so viel Geld am Finanzamt vorbeigebracht hatte. Jahrelang hatte keiner von dem Schatz gewusst. Jetzt endlich konnte er ihn jemandem zeigen. Jemandem, der das verstand, für den Schauchmeier kein Steuerhinterzieher war, sondern ein Hund.
»Das Problem ist natürlich: Es ist Bargeld. Das werden sie dir in der Bank kaum nehmen, ohne dass sie Fragen stellen. Und melden müssen sie’s auch, glaub ich.«
»Ja. Aber nur ab einer bestimmten Summe. Ich hab mal was von fünfzehntausend gelesen. Wenn du es auf, sagen wir, zwanzig Konten verteilst, dann geht das.«
»Und dann?«
»Dann überweist du es mir, und ich kauf die Aktien über Internet. Ein paar Tage später verkaufe ich wieder und … na ja, vom Konto runter kriegt man’s immer.«
»Wie hoch ist das Risiko?«
»Gleich null. Das ist ein Naturgesetz. Sobald raus ist, dass eine Firma gekauft werden soll, schießt der Kurs nach oben. Deswegen wird’s ja so lange wie möglich geheim gehalten.«
Schauchmeier führte die Obstlerflasche zu Falckings Glas, der wehrte dezent mit der Hand ab. Dafür schenkte Schauchmeier sein eigenes Glas voll, leerte es in einem Zug und sah hinaus in die Nacht. Diesmal bewegten sich seine Lippen lautlos, als vollführe er im Stillen eine komplizierte Rechnung.
»Dreißig- bis vierzigtausend, wenn ich mit den vollen zweihundert Riesen reingeh?«
»Kann ich nicht garantieren. Kann weniger sein, aber auch mehr. Und ein paar tausend gehen natürlich an Provision weg.«
»Trotzdem: dreißigtausend in einer Woche …«
Eine Bö brachte warme Luft von irgendwoher aus der Nacht. Grillen zirpten, die Eschen am nahen Waldrand rauschten im Wind. Wie oft würde er noch so sitzen und die Sommernacht genießen? Schauchmeier hatte eine Ahnung, dass es nicht mehr so oft sein würde. Vielleicht bald schon würde es mit ihm dahingehen, würde ihm der Alzheimer das Hirn erweichen, und nichts und niemanden würde er erkennen. Vielleicht würde er sich nicht einmal mehr erinnern, wie ihm der Obstler geschmeckt hatte, er wüsste nicht mehr, dass der Obstler Obstler heißt und dass man davon trinken musste, damit die Welt schöner wurde. Panik ergriff Schauchmeier, und er schenkte sich sein Glas voll und kippte es runter. Diesmal setzte er das Obstlerstamperl hart auf dem Gartentisch auf und schaute mit entschlossener Miene in die Nacht.
»Ich
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