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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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damit angefangen, dass er die Kunden seiner kleinen Baufirma nicht mehr erkannte. Er schob seine Gedächtnisschwäche zunächst auf den Obstler, von dem er jeden Abend eine halbe Flasche trank. Das brauche er zum Entspannen nach einem harten Arbeitstag auf dem Bau, wo er seine Leute scheuchen und sich mit nörgelnden Bauherren herumschlagen musste. Doch eines Tages kam Bernd Schauchmeier am Abend in sein Einfamilienhaus in Gmund zurück und begegnete an der Gartentür einer jungen Frau, die er nicht kannte. Es war seine Tochter Anette. Es gelang ihm, die Situation zu überspielen. Aber der Vorfall machte ihn nachdenklich. Vier Monate später, als sich die Gedächtnisausfälle häuften, vertraute sich Schauchmeier seiner Frau Maria an. Alzheimer war beiden ein Begriff. Sie wussten freilich nicht, dass man daran in Schauchmeiers Alter erkranken konnte. Schauchmeier ließ sich in einer Münchner Klinik untersuchen. Die Diagnose war so eindeutig, wie sie es bei dieser Krankheit sein konnte. Zu hundert Prozent konnte man Alzheimer erst bei einer Obduktion nachweisen. Aber alle Symptome sprachen bei Schauchmeier dafür.
     
    Heute besuchte Falcking seinen Schwiegervater das erste Mal, seit sie es wussten. Der Schock war bereits einer fast heiteren Gelassenheit gewichen, mit der die Familie über die Krankheit sprach. Sie saßen am Tisch, aßen Kalbsrollbraten und machten Pläne für den nächsten Urlaub. Einen Augenblick lang schien alles normal und die Krankheit weit weg. Als Falcking mit Maria allein in der Küche war, um das Dessert zu holen, brach sie auf einmal in Tränen aus. Er reichte ihr ein Küchentuch. Sie schneuzte sich, tupfte ihre Augen trocken und sagte zu Falcking: »Sag ihm nicht, dass ich weine.« Dann waren sie wieder hinausgegangen und hatten Erdbeeren mit Walnusseis gegessen.
    Um zehn hatte Falcking gesagt, er habe etwas mit seinem Schwiegervater zu bereden. Anette und ihre Mutter waren ins Wohnzimmer gegangen. Auch sie hatten Dinge zu besprechen. Es waren die Dinge, die sie schon ein Dutzend Mal besprochen hatten, seit die Diagnose bekannt war. Dennoch hatten beide das dringende Bedürfnis, noch einmal darüber zu reden. Die Männer hingegen tranken Frankenwein und Obstler auf der Terrasse und redeten über vernünftige Dinge.
    »Ich glaube ja, die wissen im Moment gar nichts«, sagte Falcking. »Natürlich muss man das ernst nehmen. Aber – ich meine, wer weiß, was in fünf Jahren ist. Die Medizin entwickelt sich so schnell …«
    »Ich hoffe, du hast recht. Aber ich muss auf alles vorbereitet sein. Vielleicht bin ich in einem Jahr nicht mal mehr in der Lage, Geld zu verdienen.«
    »Natürlich. Vorbereitet muss man sein. Und falls irgendwas sein sollte – ich sorge ja für Anette. Und ich kümmer mich um Maria, wenn irgendwas wäre. Aber ich denke, du hast da eh vorgesorgt.« Falcking wusste genau, dass Schauchmeier schlecht vorgesorgt hatte. Als freier Unternehmer hatte er nie in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt. Und was er sich angespart hatte, das hatte die abflauende Baukonjunktur aufgezehrt.
    »Könnt besser sein«, sagte Schauchmeier bitter.
    »Was meinst du?«
    »Mit der Vorsorge. Ich hab zwei Lebensversicherungen. Aber davon kann die Maria nicht leben bis ans Ende ihrer Tage. Magst noch einen?«
    »Nein danke. Muss noch fahren.«
    Schauchmeier schenkte sich sein Glas voll, kippte es runter und sah besorgt in die Nacht hinaus.
    »Ich hätte da ein Geschäft an der Hand, da könnte man in ein oder zwei Wochen zwanzig- oder dreißigtausend machen«, sagte Falcking.
    »Aha.« Schauchmeiers Interesse schien geweckt. »Wo ist der Haken?«
    »Da, wo er immer ist. Du brauchst erst mal Geld.«
    »Ich hab eh nix über im Augenblick. Aber kannst ja trotzdem erzählen.«
    »Ein alter Studienfreund von mir ist Banker. Und der weiß, dass nächste Woche ein Unternehmen aus dem S-Dax aufgekauft werden soll. Die Finanzierung läuft über seine Bank. Deswegen kann er ja selber nichts machen. Insiderhandel und so.«
    »Und du, wennst es machst, oder ich – dann ist es legal?«
    »Ähm … vermutlich auch nicht. Aber ich sag mal: Scheiß drauf. Das Leben ist zu kurz, um sich ständig so einen Quatsch zu fragen, oder? Jetzt gib mir doch noch einen.«
    Schauchmeier schenkte Falcking einen Obstler ins Glas. »Ja, da ist das Leben wohl zu kurz für.«
    Falcking war peinlich berührt. »Tut mir leid. Das ist mir so rausgerutscht. Ich hab da echt nicht drüber nachgedacht.«
    »Hast ja recht. Wir

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