Schafkopf
nicht ungerecht sein.«
»Ja und? Beim Flüchten kannst auch lernen. Die hocken doch die meiste Zeit in irgendeinem Lager umeinand.«
»Wie dem auch sei: Beim Sludka warst du offenbar auch nicht.«
»Ja, ja, Sludka … wie komm ich jetzt auf den? Donnerstag. Da hast schon recht. Es is a Kreuz mit dem Hirn, wennst alt wirst.« Manfred nahm noch einen Schluck von seinem Weißbier und betrachtete anschließend das Glas mit einer strahlenden Freude, als sei es eine Schar wohlgeratener Enkelkinder. »Mit dem Glas da hast mir so eine Freude gemacht. Ich kann dir gar net sagen, wie!«
»Gern geschehen. Aber kommen wir nicht vom Thema ab. Du wirst doch wissen, wo du heute warst. Oder muss ich mir Sorgen machen? Ich meine, Demenz und so …« Wallner sah seinen Großvater sehr bekümmert an. »Wenn’s so wäre, sollten wir offen darüber reden.«
Manfred legte beschwichtigend die Hand auf Wallners Arm. »Nein, da brauchst dir gar keine Sorgen machen. Hier oben …«, Manfred legte seinen Zeigefinger auf die Stirn. »Hier oben, da steck ich noch manchen Vierziger in den Sack.«
»Gut. Dann sag mir, wo du heute warst.«
Manfred überlegte, was ihm noch einfallen könnte, kam dann aber offenbar auf Grundlage der vorangegangenen Fehlversuche zu dem Schluss, dass auch weitere Lügen zum Scheitern verurteilt sein würden. Er wechselte die Strategie. »Jetzt wirst langsam a bissl penetrant. Ist des a Verhör oder was?«
»Nein. Entschuldige, wenn ich dir zu nahegetreten bin. Ich interessiere mich einfach dafür, was du machst. Ich erzähle dir ja auch, was ich mache. Aber wir können uns in Zukunft auch verheimlichen, was wir tagsüber so treiben. Kein Problem.«
»Jetzt werd doch net gleich so dramatisch. Verheimlichen!«
»Nenn es, wie du willst. Du hast offenbar Gründe, mir nicht zu sagen, was du heute gemacht hast. In Ordnung. Ich respektiere diese Gründe. Auch wenn ich sie nicht kenne. Aber du musst mir auch zugestehen, dass mich das irgendwo verletzt.«
»Geh Schmarrn! Verletzt! Ich will doch nix verheimlichen. Ich hab heut nur Leute getroffen, die wo du eh net kennst. Also bringt’s auch nix, wenn ich dir sag, wie die heißen.«
»Sind das Leute in deinem Alter?«
Manfred wurde langsam sauer. »Was is denn des für a Frage? Keine Ahnung, wie alt die sind. An Ausweis hab ich mir nicht zeigen lassen.«
»Das kann man doch schätzen – wie alt die aussehen.« Wallner sah seinen Großvater fragend an. Der war sichtlich in die Enge getrieben, knetete den Henkel seines Weißbierglases mit den Fingern und überlegte fieberhaft, wie er aus der Sache herauskommen konnte. Wallner beschloss, Manfred nicht zu sagen, dass er ihn mit dem Mädchen gesehen hatte. Sonst würde er Manfred nur das Argument an die Hand geben, dass Wallner ihm nachspionierte.
»Sie sind ein bissl jünger wie ich«, sagte Manfred schließlich.
»Und wie hast du die kennengelernt?«
»In der Wirtschaft. Da lernt man immer Leut kennen.«
»Einfach so?«
»Ja mei – man kommt ins Gespräch und find sich nett und dann … dann hat man sich kennengelernt.«
»Verstehe«, sagte Wallner. »Noch ein Weißbier?« Manfred hatte sein Glas inzwischen geleert.
»Warum net?«, sagte er und reichte Wallner das Glas.
»Jetzt erzähl mal von deiner neuen Bekanntschaft. Ich bin gleich wieder da.« Wallner ging hinaus in die Küche. Er wollte Manfred die Gelegenheit geben nachzudenken. In der Küche geriet Wallner aber selbst ins Grübeln und musste sich sagen, dass es ihn überhaupt nichts anging, wen sein Großvater traf. Und wenn er nicht darüber reden wollte, dann wahrscheinlich deshalb, weil er fürchtete, bei seinem Enkel auf Vorurteile zu stoßen. Und genau die hatte er auch, musste sich Wallner eingestehen. Wallner beschloss, nicht einer jener Leute zu werden, mit denen er selbst nichts zu tun haben wollte.
»Ist nicht so wichtig. Kannst es mir bei Gelegenheit ja mal erzählen«, sagte Wallner, als er mit dem frisch gefüllten Glas wieder ins Wohnzimmer kam. Das Telefon klingelte. Wallner stellte Manfred das Bier hin.
»Deine Bekannten?«, fragte Wallner.
»Sicher net. Um die Zeit ruft für mich keiner mehr an.«
Mike war am Apparat. »Und? Hast dir’s schon gemütlich gemacht?«
»Einigermaßen. Hattest du nicht ein Date heute Abend?«, sagte Wallner.
»An sich schon«, sagte Mike. »Aber die wollte eh nur ein paar blutrünstige Details von mir erfahren. Die Leut sind so sensationsgeil geworden, das glaubst du nicht. Ich bin echt
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