Schafkopf
Die hießen Herbsttraum oder Wintertraum oder Weihnachtstraum und rochen alle nach Zimt und Orange.
Wallner hatte den SoKo-Mitarbeitern nichts von Falckings Anruf am Vorabend gesagt. Damit hätte er Hoffnungen geweckt, ohne zu wissen, ob er die Erwartungen erfüllen konnte. Es gab viele Dinge, die einen Mordermittler psychisch belasteten. Enttäuschte Hoffnung gehörte zu den schlimmeren. Dem engeren Kreis, zu dem in der Zwischenzeit auch Janette gestoßen war, wollte Wallner die Nachricht aber nicht vorenthalten. Allerdings hatte sich Falcking – es war mittlerweile zehn Uhr – immer noch nicht gemeldet, was Wallner nicht als gutes Zeichen deutete.
Wallner hatte Janette gebeten nachzusehen, ob sich etwas über Jonas Falcking in den Polizeiakten fand. Er tauchte sechs Mal als Verteidiger in Strafverfahren auf – das meiste davon Verkehrssachen. Und einmal als Opfer. Jemand hatte Falckings EC -Karte missbräuchlich verwendet. Der Täter war Peter Zimbeck. Es klopfte an der Bürotür.
»Ja, komm rein«, sagte Wallner. Kreuthner betrat den Raum und sah sich um. Nicht dass ihn die Versammlung, die er vor sich hatte, überraschte. Er wusste, wer sich in Wallners Büro nach der SoKo-Besprechung traf. Dass man ihn dazugebeten hatte, war allerdings neu und erregte sein Misstrauen. Er trat etwas gehemmt in den Raum.
»Servus mit’nand. Erlauchter Kreis, ha?«
»Nur die üblichen Nasen«, sagte Wallner. »Setz dich doch. Kaffee?«
Kreuthner setzte sich sehr vorsichtig auf den angebotenen Bürostuhl, als fürchtete er, jemand habe ihn angesägt oder sonst einen Schabernack auf seine, Kreuthners, Kosten vorbereitet, und als warteten alle Anwesenden nur darauf, sich auf die Schenkel zu hauen und nach Luft zu ringen vor Lachen über den tumben Kollegen, der prompt auf ihren hinterfotzigen Scherz hereingefallen war. Wallner schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein und hielt sie ihm hin.
»Milch und Zucker stehen bei der Janette.«
»Was magst denn?«, flötete Janette.
Kreuthner zögerte. Die Sache war ihm immer noch nicht geheuer. »Milch. Nur an Schuss.«
Kurz darauf saßen alle im Halbkreis, jeder hatte eine Tasse Kaffee in der Hand. Es sah aus wie bei einer Sitzung der Anonymen Alkoholiker. Kreuthner blickte zu Wallner, zu Mike, wieder zu Wallner, auf Wallners Schreibtisch. Was war hier im Gange? Die waren doch sonst nicht so freundlich. Kaffeetrinken mit den Herrschaften in Zivil. Aha. Vielleicht benötigten sie seine Hilfe und schleimten sich deshalb bei ihm ein. Vielleicht war die Erkenntnis über sie hereingebrochen, dass der Kreuthner eigentlich derjenige war, der am meisten im Hirn hatte, den man fragen musste, wenn man nicht mehr weiterwusste. Den Mann, der den Prinzessinnenmörder zur Strecke gebracht hatte, der den Fall von Anfang bis Ende allein gelöst hatte – was natürlich nie jemand zugegeben hatte, was aber für jeden auf der Hand lag, der sich noch einen Fetzen Verstand behalten hatte.
»Nett, dass du gleich gekommen bist«, riss Wallner Kreuthner aus seinen Gedanken. »Wir brauchen dich.«
»Ist es wahr? Ihr brauchts mich? Wie gibt’s denn so was?«
»Mei – bist a alter Haudegen. Hast an wachen Verstand, und dir fallen Sachen auf.« Sieh an, dachte Kreuthner.
»Und …«, sagte Wallner und nahm eine dünne Akte von seinem Schreibtisch, »… du hast vor zwei Jahren das hier bearbeitet. Dazu hätten wir noch Fragen.«
Wallner reichte Kreuthner die Akte. Sie war mit dem Aktenzeichen einer Strafsache beschriftet und trug den Namen »Zimbeck, Peter«. Kreuthner schlug die Akte auf. Mit dem Zimbeck hatte er mehr als einmal zu tun gehabt. Da musste er schon schauen, was das genau war. Während er die Akte überflog, half Wallner nach. »Am 16 . Juni 2007 habt ihr die Sache aufgenommen. Das Opfer der Straftat war ein Rechtsanwalt aus Holzkirchen. Der Mann hieß Jonas Falcking.«
»Kann mich dumpf erinnern. Aber das steht ja wohl alles in der Akte.«
»Das schon. Aber da war noch einiges, was nicht drinsteht. Jedenfalls meiner Erinnerung nach.«
»Ja, die G’schicht war recht merkwürdig. Aber mir ham ja nix machen können. Gab ja keine Anzeige.« Kreuthners Argwohn legte sich ein wenig, aber nicht ganz. Es war nicht auszuschließen, dass die Burschen ihm noch nachträglich wegen fehlerhafter Ermittlungsarbeit an den Karren fahren wollten. »Wozu wollts des wissen?«
»Es gibt da ein paar Zufälle zu viel. Und die haben alle mit dem Mordfall Kummeder zu tun. Die Sache hier …«, Wallner
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