Schafkopf
abgeknallt, und gut war’s. Tagelang is er im Straßengraben g’legen, weil ihn keiner hat wegräumen wollen. Mein Opa war damals sechzehn. Der is nachts hin zur Leich und hat die Pistole geklaut.« Zimbeck entsicherte die Waffe und wandte sich zum Gehen.
»Jetzt wart. Des muss ja ned sein. Zahlst halt a andermal. Is denn des so wichtig?«
Zimbeck ging zurück zum Tisch und beugte sich zu Lintinger hinunter. »Des hat’s ja noch nie net geben, dass einer sein Solo net zahlt! Wer hat’n des g’sagt?«
Lintinger fing das linke Auge an zu zucken. »Mei, des sagt man halt so. Weißt doch, wie’s is beim Schafkopfen. Jeder red blöd daher.«
»Ja, Schwiegervater. Und du redst am blödern daher. Bleib einfach auf deinem breiten Arsch hocken und wart, bis die Männer wieder z’ruck san.« Er verpasste Lintinger mit der Pistole einen Stüber unter die Nase, gab Harry mit der Waffe ein Zeichen, ihm zu folgen, und verschwand durch die Eingangstür hinaus in die Nacht. Harry warf seinem Vater noch einen Blick zu. Dann ging er Zimbeck hinterher.
Der alte Johann Lintinger sah seinem Sohn nach, und sein Gesicht legte sich vor Angst in Falten. Einen Moment lang ging eine Spannung durch seinen Körper, als wollte er aufstehen und seinem Kind nachgehen. Dann aber erschlaffte er und sank gebeugt auf die Wirtshausbank zurück. Noch einmal erschien Susi in der Tür zur Küche. Dieses Mal wich er ihrem Blick nicht aus, sah ihr in die Augen und auf die Würgemale, fühlte sich klein und hilflos und spürte, dass seine Tochter auf ihn herabschaute. Hass und Verachtung lagen in den Augen der jungen Frau. Ihre Liebe hatte er schon vor Jahren verloren. Das wusste er und hatte sich damit abgefunden. In diesem Augenblick spürte er zum ersten Mal noch etwas anderes in ihrer Gegenwart, etwas, das ihn alt und schwach machte und daran erinnerte, dass er als Feigling sterben würde: Mitleid.
Draußen wurde ein Wagen angelassen.
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37 . Kapitel
D er Streifenwagen tastete sich langsam auf einer nebelverhangenen Nebenstraße voran, die im Dreieck zwischen Gmund, Hausham und Miesbach über hügelige Hagwiesen führte und abgelegene Gehöfte miteinander verband. Die Sicht reichte kaum einmal bis zur nächsten Kuh auf der Weide, die sie passierten. Polizeianwärter Patrick Holl steuerte den Wagen vorsichtig durch den dichten Dunst, immer gewahr, dass vor dem Kühlergrill etwas plötzlich auftauchte, Mensch, Kuh oder ein anderes Fahrzeug, dessen Fahrer nicht die gleiche Achtsamkeit walten ließ wie er selbst. Noch vor ein paar Jahren wären sie Gefahr gelaufen, sich sauber zu verfahren. Da musste man nur ein Schild verpassen. Heute hatten sie Navigationsgeräte. Kreuthner hatte nach dem Besuch in Zimbecks Wirtshaus beschlossen, noch ein paar eigene Recherchen anzustellen.
»Des bringt doch nix, dass mir hier in dera Supp’n umeinandfahren«, sagte Holl, ein zur Aufsässigkeit neigender junger Mann, der die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben meinte, nur weil ihn die Natur mit ein wenig Intelligenz ausgestattet hatte. Hinter seinen abstehenden Ohren war er freilich grün wie die Uniform, die sie in Bayern immer noch tragen mussten.
»So«, sagte Kreuthner. »Bringt des nix? Sagt dir des deine langjährige Erfahrung im Streifendienst oder wie?«
»Da muss ich keine Erfahrung haben. Da musst nur net ganz blöd sein. Mir sehen nix, also sehen mir auch net, ob irgendwo was net stimmt. Außer es hätt irgendwer direkt neben der Straß an Sondermüll abgeladen. Hab ich aber auch noch keinen gesehen.«
»Riskierst a ganz schön dicke Lippe für dein Alter. Jetzt pass amal auf: Mir san hier net präventiv tätig, sondern mir ermitteln in am Mordfall.«
»Is des net der Job von der Kripo?«
»Logisch. Aber die Brüder kriegen’s ja net auf die Reihe. Also bleibt’s an uns hängen.«
»Ah so. Und du löst jetzt den Fall. Da bin ich ja gespannt.«
»Pass gut auf. Da lernst was. Halt mal an.«
Zwanzig Meter voraus stand ein alter Mann umwabert von Nebelschwaden am Zaun und starrte auf eine Weide.
»Die Kathi Hoogmüller, da bin ich inzwischen sicher, die is net abg’haut. Da is was passiert vor zwei Jahren. Und zwar hier. Irgendwo im Mangfalltal. Und wennst des wissen willst, dann musst die alten Leut fragen. Siehst, wie der in den Nebel spechtet? So einer is wie a alte Eiche, fest mit der Natur verwurzelt. Der hockt net den ganzen Abend vorm Fernseher. Der lauscht in die Nacht, verstehst?«
»Und der weiß, was mit der
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