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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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nur eine ungefähre Vorstellung, wie weit das weg ist? Und wie undeutlich das ist, was die reden? Da muss man immer wieder nachfragen.«
    »Entschuldigung. Ich kenn mich noch nicht so aus mit Totenkontakten.« Die Ironie in Wallners Worten blieb der Beilhammerin verborgen. »Also gut: Kalter Grund zwischen zwei Wassern.«
    Die Beilhammerin nickte.
    »Sie selbst haben auch keine Vorstellung, was die Frau gemeint haben könnte?«
    »Ich kenn die ja net. Is auch net mein Job. Ich sag nur, was ich höre.«
    »Dass Sie sie noch mal fragen, was sie gemeint hat? Ginge das?«
    »Na, des geht net. Erstens muss ich jetzt in den Laden. Und zweitens hätte die Tote es mir ja genauer erklärt, wenn sie das gewollt hätte.«
    Da sagte die Beilhammerin das erste Mal etwas Logisches, musste sich Wallner denken. Die Frage blieb, warum Tote in Rätseln sprachen. Gehörte sich das so, wenn man tot war? Musste man sich abgrenzen, eine Art Fachjargon benutzen, um bei denen, die noch auf der Erde waren, eine Stimmung von Ehrfurcht und Feierlichkeit heraufzubeschwören? Konnte das dumme Ding nicht einfach sagen, ich lieg zwei Meter nordöstlich vom Strommast neben dem Klärwerk? Anscheinend nicht. Im kalten Grund zwischen zwei Wassern! Das klang so, wie sich vermutlich jemand wie die Beilhammerin die feierliche Sprache der Toten vorstellte. Wallner ärgerte sich, dass er den Unfug mitgemacht hatte.
    Kreuthner und Frau Beilhammer waren im Flur und regelten das Finanzielle, als Wallner einen letzten Blick auf den Kassettenrecorder warf. Bevor er hinausging, drückte Wallner noch schnell auf den Knopf, mit dem man das Kassettenfach öffnete. Es war leer. Das wunderte Wallner. Nur ein bisschen, aber es wunderte ihn. Es wunderte ihn immerhin so sehr, dass er den Recorder, der kein Stromkabel hatte, umdrehte und das Batteriefach öffnete. Auch Batterien befanden sich nicht in dem Gerät. Nur ein Zettel, der dem Anschein nach aus einem Glückskeks stammte. Darauf stand: Das Glück kommt zu dem, der es sucht.
     
    Wallner zog den Reißverschluss seiner Daunenjacke hoch und setzte sich seine Wollmütze auf. Er stand zusammen mit Kreuthner vor dem Andenkenladen und blickte in die Richtung, aus der man das Plätschern des Schliersees hören konnte. Der See selbst blieb ihren Blicken nebelbedingt verborgen.
    »Wenigstens wissen wir, dass sie tot ist«, sagte Kreuthner nach einer Weile.
    »Na ja, das seh ich ein bisschen anders. Bevor wir nicht die Leiche gefunden haben, wissen wir gar nichts.«
    »Wo die Leiche liegt, wissen mir ja auch. Also ungefähr.« Wallner sah Kreuthner verwundert an.
    »Da muss man halt a bissl nachdenken. ›Zwischen zwei Wassern‹ – was könnt des bedeuten?«
    »Tja, was wohl? Vorschläge?«
    Kreuthner dachte intensiv nach, bis er eine Idee hatte. »Zum Beispiel zwischen dem Tegernsee und dem Schliersee.«
    »Da gibt’s aber keinen kühlen Grund, sondern Berge.«
    Kreuthners Theorie zerfiel zu Staub. »Is a Argument. Kühler Grund …«
    »Kühler Grund – könnte das Mangfalltal sein. Da hat man sie das letzte Mal gesehen«, sagte Wallner.
    »Aber da gibt’s nur
ein
Wasser«, wandte Kreuthner ein.
    »Genau genommen gibt’s da zwei: die Mangfall und den Mangfallkanal.«
    Kreuthner deutete mit seinem rechten Zeigefinger auf Wallners Nase. Der Finger wackelte, dass es Wallner ein bisschen unangenehm wurde, wie er auf ihn zuwackelte.
    »Das hat sie gemeint. Da dazwischen ham s’ die Leich vergraben.« Kreuthner sah Wallner scharf an und holte den wackelnden Zeigefinger zurück in die rechte Faust, die er sodann in die linke Hand schlug. »Ja verreck! Das is es!«
    Kreuthner sah Wallner jetzt noch schärfer an. Der wich einen Meter zurück, indem er ihm die rechte Handfläche entgegenstreckte und jetzt seinerseits damit wackelte. »Vergiss es. Wenn du glaubst, dass ich da auch nur einen Mann zum Suchen hinschicke – njet!«

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43 . Kapitel
    S ie waren seit zwei Stunden unterwegs im Mangfalltal und hatten die Orientierung verloren. Hier in der Flussniederung war der Nebel noch undurchdringlicher. Man konnte nur bis zum nächsten Baum sehen. Der junge Kollege Holl wurde langsam unleidlich. Was auch daran lag, dass er den Metalldetektor tragen musste.
    »Die Frau hat euch verarscht. Mit mir hat noch nie a Toter geredet. Und auch mit niemand, wo ich kenn. Okay, mit meiner Stieftante. Aber die hat an Sprung in der Schüssel und Neurodermitis oder so was.« Holl schwenkte lamentierend den Detektor über dem Boden hin

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