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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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die er irgendwann im Haus hinterlassen hatte, hatte sie getilgt. Es war nicht viel gewesen. Sie hatte nicht zugelassen, dass er Dinge hierließ oder sich gar häuslich einrichtete, Zahnbürste und Rasierzeug im Bad deponierte. Mit einem Mal überkam Susi Unruhe, und ihr Herz schlug schneller. Hatte sie etwas übersehen? Man konnte immer etwas übersehen. Nur Zimbeck, der übersah nichts. Wenn es etwas gab, das sie verraten konnte – Zimbeck würde es entdecken. Susi ließ den Blick über all die kleinen Sachen wandern, die auf dem Regal neben dem Badezimmerspiegel standen. Nagellack, Lippenstift, Pinselchen, Porzellandose mit Q-Tips, Flaschen mit Eau de Toilette und Rasierwasser, Zahnseide … Susis Blick verweilte auf den drei Rasierwasserflaschen. Zwei davon waren angeschafft worden, bevor Zimbeck ins Gefängnis musste. Das wusste sie genau. Die dritte Flasche hatte sie letzte Woche gekauft. Mit dem Rasierwasser war alles in Ordnung. Warum dann die Unruhe? Mit einem Schlag wurde Susi das Gesicht heiß, und das Adrenalin schoss ihr in Kopf und Magen: Die Zahnseide! Zimbeck benutzte keine Zahnseide, sie auch nicht. Susi griff nach der weißen Plastikschachtel und steckte sie hastig in eine ihrer Hosentaschen. In diesem Moment ging die Badezimmertür auf, und Zimbeck stand im Raum. Er war lautlos gekommen und starrte Susi an, dass sie Angst bekam.
    »Was treibst ’n da?«, wollte er wissen.
    »Nix. Ich schmink mich, und dann geh ich runter und sperr die Wirtschaft auf.«
    »Und was hast grad in deine Hosentasche gesteckt?«
    Er hatte das gesehen? Susi hatte keine Erklärung, wie das möglich war. Die Tür war doch aufgegangen, nachdem sie die Zahnseide weggesteckt hatte. Eine Sekunde lang war sie versucht zu sagen, sie habe nichts in der Hosentasche. Aber er hatte irgendetwas gesehen, sonst würde er nicht fragen. Sie holte die Zahnseidenbox aus der Hosentasche und zeigte sie Zimbeck.
    »Der Zahnarzt hat gesagt, ich soll das benutzen.«
    »Ah ja?« Zimbeck musterte sie argwöhnisch. »Hast mir gar nix davon erzählt.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Hab net g’wusst, dass dich das interessiert.«
    Es war ein paar Sekunden still. Susi nahm das als Zeichen, dass das Gespräch beendet war. Sie ging zur Tür und wollte an Zimbeck vorbeigehen. »Ich muss runter. Net dass die Gäste vor der Tür warten.«
    Er hielt sie am Arm fest. »Is keiner unten. Mir ham was zu bereden.«
    Susi sah ihn ängstlich an, wartete auf eine weitere Erklärung. Sie bekam keine. Zimbeck zerrte sie am Arm aus dem Bad durch den Flur ins Schlafzimmer. Der Kleiderschrank stand offen.
    Drei Hemden hingen im Schrank, gebügelt. Daneben, im schmalen in Fächer gegliederten Teil des Kleiderschranks lagen fünf weitere gebügelte Hemden, akkurat zusammengelegt. An der Papierbanderole war erkenntlich, dass sie aus einer Wäscherei kamen. Zimbeck schob Susi, immer noch ihren Oberarm mit seiner Hand umklammernd, vor den Schrank. Er ließ nicht los, der Arm schmerzte, Susi schrie nicht, jammerte nicht, er würde ohnehin in keinem Fall loslassen, bevor er nicht selbst entschieden hatte, dass der Zeitpunkt gekommen war.
    »Was sehen mir da im Schrank?«, fragte Zimbeck.
    Susis Magen krampfte sich zusammen. Sie hatte etwas übersehen. Es war unglaublich, dass er sich dieses Detail über all die Jahre gemerkt hatte.
    »Hosen?«, sagte Susi in der Hoffnung, er habe doch etwas anderes im Sinn.
    »Und?«
    Wenn sie jetzt Pullover oder T-Shirts sagte, war klar, dass sie dem Thema Hemd ausweichen wollte. »Hemden?«, sagte Susi und schluckte. Aber ihr Mund war trocken.
    »Drei Hemden hängen am Bügel. Unter anderem ein Flanellhemd, rot-braun kariert. Ist das richtig?«
    Susi nickte.
    »Wieso hängt das da?«
    »Ich hab’s gebügelt. Wie die beiden anderen auch. Wieso? Hätt ich das nicht tun sollen?«
    »Dieses Hemd war bei den zusammengelegten da. Ich hab’s damals in die Wäscherei gebracht. Kurz bevor die mich eingekastelt ham.«
    Susi konnte damals nicht bügeln, weil er ihr den Arm gebrochen hatte. Damals war es der rechte gewesen.
    »Wieso hängt das Hemd jetzt auf dem Bügel?«
    »Ich … ich hab’s …«, Susi suchte verzweifelt nach einer Erklärung. Aber das war schwer unter dem Druck auf Seele und Oberarm. »Ich hab’s gebügelt, weil die doch Falten kriegen, wenn sie zwei Jahre so im Schrank liegen.«
    »Schön. Freut mich, dass du das machst. Aber was ist mit den anderen fünf? Kriegen die keine Falten?«
    »Ich hab mir gedacht, weil du das

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