Schafkopf
Kreuthner.
»Ja um Gott’s willen! Na, mit dene Johanniskrautpiesler hab ich nix zum tun. Fang ma an. In zwanz’g Minuten muss ich den Laden aufsperren.« Frau Beilhammer nahm einen Zug aus der Zigarette, dann drückte sie auf einen Knopf des Recorders. »Jetzt konzentrieren.«
»Auf was?«, wollte Wallner wissen.
»Auf euer Anliegen.« Aus dem Recorder drang Rauschen wie aus einem kaputten Radiogerät. Ab und zu war hinter dem Rauschen etwas zu hören, eine Störung im akustischen Schneegestöber, ein kurzes Zwitschern, aber auch Geräusche, die mit gutem Willen als menschliche Stimmen durchgehen konnten. Nach zwei Minuten schaltete die Beilhammerin den Recorder aus und sah Wallner argwöhnisch an.
»Was wird denn das hier für a Nummer?«
Wallner war irritiert. »Wie bitte?«
»Zu mir kommt man normalerweise, wenn man wen sucht, den man kennt. An Verwandten, die verstorbene Frau, den toten Freund und so weiter.«
»Und?«
Frau Beilhammer wies mit der Zigarettenglut auf den Recorder. Ein gewisser Vorwurf lag in der Geste. »Es hat sich eine Frau gemeldet. Aber die sagt, sie kennt euch nicht.«
»Ist richtig«, gab Wallner zu. »Wir suchen sie trotzdem.«
»Warum sucht man wen, den man net kennt?«
»Wir machen das mehr beruflich«, stellte Kreuthner klar.
»Scheiße, ihr seid’s dienstlich hier!« Sie deutete auf Wallner. »Sie auch?«
»Ich bin von der Kripo. Ich hätte mich gern vorgestellt. Aber Sie wollten ja nicht …«
»Jajaja. Das geht mich auch nix an. Es is nur so, wenn ich anderleuts Jobs mach, dann sind die Tarife höher. Das verstehts ihr schon, oder?«
»Hören Sie: Was wir hier machen, ist unser Privatvergnügen. Reine Neugier, was rauskommt. Also: Wir sind nicht dienstlich hier. Wir sind privat hier. Okay? Deswegen: Normaltarif.«
»Und wenn ihr das dienstlich verwendet, was ich euch sag?«
»Ich bezweifle, dass wir es verwenden werden. Aber für den unwahrscheinlichen Fall, dass doch, dann leg ich noch mal hundert drauf.«
Frau Beilhammer nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette, deren Glut damit am Filter angekommen war. Wallner wertete das als Einverständnis.
Abermals drückte die Beilhammerin den Knopf des Kassettengerätes. Wieder fing es an zu rauschen. Schon nach wenigen Sekunden stellten sich die Hintergrundgeräusche ein. Und diesmal war es deutlich die Stimme einer Frau. Sie klang wie jemand, der versuchte, sich hinter einem gewaltigen Wasserfall mitzuteilen. Verständliches kam nicht aus dem Lautsprecher, aber eine Ahnung vermittelte sich dem Zuhörer. Der Text lautete: »WaaahaamamahaaaZwitscherAssassaahmmm maaaaa-haaRauschwamahaah …«
»Für mich klingt des wie ›Mangfalltal‹«, flüsterte Kreuthner Wallner zu. Frau Beilhammer achtete nicht auf das Geflüster von Kreuthner. Sie war vollkommen darin vertieft, dem Recorderrauschen zuzuhören. Sie schwankte mit dem Oberkörper vor und zurück, ihre Lippen bewegten sich, nicht sehr, aber doch so, dass man erkennen konnte, wie sie Wörter formte. Ab und an überkam sie ein Schaudern, und ein Zittern fuhr ihr durch den Leib. Schweißperlen sammelten sich auf ihrer Oberlippe und unter den Augen.
Nach zehn Minuten schreckte sie aus ihrer Trance auf, drückte den Knopf, und das Rauschen verstummte. Kreuthner und Wallner sahen sie an. Bevor sie etwas sagte, zündete sie sich eine frische Zigarette an und wischte sich mit dem Sweaterärmel den Schweiß aus dem Gesicht.
»Ganz schön heftig.« Die Beilhammerin blies kopfschüttelnd den Rauch aus.
»Is jemand tot?«, fragte Kreuthner.
Die Beilhammerin schenkte Kreuthner ein amüsiertes Lächeln. »Du bist lustig. Ich red nur mit Toten. Deswegen seids doch hergekommen.«
»Und was sagt die Tote?«, wollte Wallner wissen.
»Sie ist sehr unglücklich. O ja, die arme Seele der Frau ist wahrlich unglücklich und gequält. Weil sie ist gefangen. In einem kalten Grund zwischen zwei Wassern.«
»Wo genau das sein soll, hat sie nicht gesagt?« Wallner wollte zumindest jede Information haben, die er kriegen konnte, wo er schon zwanzig Euro bezahlt hatte.
»Was wollen S’ denn? Die GPS -Daten?«
»Irgendeinen Hinweis, wo sie ist.«
»Mehr hat sie nicht gesagt.«
»Sie haben mindestens zehn Minuten mit der Frau gesprochen. Da werden Sie doch nicht übers Wetter geredet haben.«
»Ich weiß net, was Sie für Vorstellungen haben. Ich red doch mit einer Toten nicht, wie wenn ich mit Ihnen red. Die ist doch tot. Die spricht aus dem Jenseits. Verstehen Sie? Haben Sie auch
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