Schakale Gottes
heute wieder eintreten dürfte, möchte ich mich schnell verabschieden«, sagte der Kriminalist und erhob sich.
Pater Rochus bat ihn, Platz zu behalten. »Sie stören uns ganz gewiß nicht.«
»Das glaube ich gerne«, entgegnete Pawel Bobak. »Mich ruft aber die Pflicht.«
»Leider keine schöne«, sagte der Büttel, an seinen einstigen Rekruten gewandt. »Der Herr ist vom Kriminalamt und hat den scheußlichen Mord aufzuklären, von dem in der Zeitung berichtet wurde.«
Pater Rochus horchte auf. »Ach, das ist interessant. Haben Sie schon etwas herausgefunden?«
Kriminalmeister Bobak schüttelte den Kopf. Seine Wangen wabbelten. »Gesichert scheint mir nur zu sein, daß der oder die Täter des Nachts mit zwei Droschken durch Rudniki gefahren sind. Ich bin deshalb unterwegs nach Czenstochau, um mir alle Kutscher vorzuknöpfen. Ob etwas dabei herauskommt …« Er hob die Schultern. »Vielleicht hab' ich Glück. Ein Holzsplitter wiegt ja oft schwerer als eine Eiche.«
Pater Rochus reichte ihm die Hand. »Dann kann ich Ihnen nur guten Erfolg wünschen.«
Der steckt in keiner guten Haut, dachte Pawel Bobak, als er das Haus verließ. Die Hand des Mönches war kalt und feucht wie die eines Kranken gewesen.
Es wurde schon Abend, als der Kriminalist in Czenstochau eintraf. Er mietete sich in einem kleinen Gasthaus ein bescheidenes Zimmer und war enttäuscht, als er auf einem ersten Rundgang durch die kaum erhellte Stadt am Bahnhof feststellte, daß dort nicht eine einzige Droschke stand. Der Wirt, ein Mann mit breiter Brust und polternder Stimme, bedeutete ihm, das sei verständlich. Fahrgäste seien fast ausschließlich Besucher des Klosters Jasna Góra. Sie kämen des Morgens mit dem ersten Zug und führen spätestens am Nachmittag wieder fort. Ausnahmen bildeten nur einige wenige, hauptsächlich reiche Leute, die neben der Wallfahrt auch Interesse für Land und Leute hätten und zum Teil versuchten, ihr Geld mit Hilfe versierter Grenzgänger in das von Österreich besetzte Gebiet hinüberzuschmuggeln.
Da Pawel Bobak an diesem Tag nichts mehr unternehmen konnte, lud er den Wirt zu einem Wodka ein. Er hoffte etwas über die Gerüchte zu erfahren, die über den Kronenschmuck der Schwarzen Madonna in Umlauf waren.
»Jetzt heißt es sogar, die Pauliner stecken mit der Ochrana unter einer Decke«, raunte der Gastwirt verstohlen. »Sie sollen Edelsteine gegen Imitationen ausgetauscht haben.«
»Das gibt's doch nicht«, ereiferte sich Pawel Bobak.
Der Wirt blinzelte mit schlauer Miene. »Und was ist, wenn die Mönche einige Geheimpolizisten bestochen und verpflichtet haben, durch einen raffinierten Tausch die echten Steine vor der russischen Regierung in Sicherheit zu bringen? Ja, mein Lieber«, fuhr der Gastwirt gewichtig fort, »den Paulinern ist alles zuzutrauen. Denen kommt so schnell keiner bei. Als damals die Schweden mit schweren Geschützen hier anrückten, haben sie gedacht: Jetzt kriegen wir den Schmuck. Co pan sobie wyobraza! Da war nichts zu machen. Die weißen Patres hatten längst vorgesorgt. Und zwar sehr geschickt. Ihr Prior Kordecki hatte tief in die Schatztruhen gegriffen und so viel Waffen und Schießpulver wie möglich gekauft. Darüber hinaus hatte er Emissäre mit riesigen Geldbeträgen nach Schlesien, in das Krakauer Land und in die Karpaten geschickt. Ihr Auftrag lautete: Söldnertruppen organisieren und im Rücken des Feindes operieren. Der schwedische General Müller erkannte die Gefahr, nahm seine Geschütze und haute ab. Und so wird's auch heute wieder sein. Wenn es darauf ankommt, verpulvern die Pauliner Millionen: ihren Klosterschatz aber geben sie nicht her.«
»Sind die wirklich so vermögend?«
»Die schwimmen im Geld. Logisch. Es gibt doch keinen Wallfahrer, der außer der Gebühr, die jeder zu entrichten hat, nicht zusätzlich noch etliche Silberstückchen spendet. Man will ja was von der wundertätigen Madonna! Wenn die sieht, daß man kleinlich ist … Um Gottes willen! Und die Reichen, die aus allen möglichen Ländern hierherkommen, stiften bis zu hunderttausend Rubel! Das ist ein Betrag, den ein gut bezahlter Angestellter sein Leben lang nicht verdient.«
Das Gespräch mißfiel Pawel Bobak. Er wechselte deshalb das Thema und erkundigte sich nochmals nach den Droschken.
Der Wirt nannte ihm die Ankunftszeit des ersten Zuges und äußerte seine Verwunderung über das Interesse, das der Kriminalist an den Mietwagen nehme. Ihn erinnere das an den französischen Journalisten, der
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