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Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
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Kohl erneuert hatte, gezwungen war abzulehnen. Am 10. April ’83 war ein Transitreisender am Grenzübergang Drewitz verstorben. Der 45-jährige Gastwirt Rudolf Burkert aus Norddeutschland hatte sich, auf dem Weg zu einer Boxveranstaltung in der Westberliner Deutschlandhalle, mit seinem DDR-Cousin und dessen Tochter auf einem Parkplatz auf der Transit-Autobahn getroffen. Die Übergabe von Geschenken war vom MfS beobachtet worden, weshalb man Burkert am Grenzübergang herauswinkte und befragte. Dabei erlitt er einen Herzinfarkt. Die beim Sturz auf Schreibtisch und Heizkörper entstandenen Verletzungen wurden in der BRD – entgegen der Feststellung von zwei obduzierenden Hamburger Ärzten – als Folgen angeblicher Folter durch DDR-Grenzer dargestellt. Franz Josef Strauß sprach gar von Mord, worauf Honecker den am 29. April 1983 geplanten BRD-Besuch absagte. (Nebenbei: Auch Burkert taucht in der Statistik der Maueropfer auf.)
    Günter Mittag, der zu jenem Zeitpunkt wie stets nach der Hannovermesse zu Gesprächen in Bonn weilte, wollte demonstrativ abreisen, konnte aber von Kanzleramtsminister Jenninger zum Bleiben bewegt werden. Kanzler Kohl lehnte jedoch eine Begegnung mit Mittag ab und verlangte am Telefon von Honecker die genaue Untersuchung des Vorfalls. Mit Verlaub: Dazu musste das DDR-Staatsoberhaupt nicht erst aufgefordert zu werden.
    In dieser gereizten Atmosphäre sollte sich Staatssekretär Schalck-Golodkowski mit dem Scharfmacher Strauß am 5. Mai – dem Geburtstag von Karl Max, sic! – treffen und über einen Kredit für die DDR sprechen.
    Auf einem Parkplatz bei Schleiz, noch auf DDR-Seite, stieg Schalck von seinem Auto in eins der bayerischen Staatsregierung. Der gepanzerte BMW passierte ohne jede Kontrolle die Staatsgrenze. Der Wagen hielt erst wieder nach vierhundert Kilometern, auf dem Landsitz von März im Chiemgau. Gut Spöck, südöstlich von München gelegen, war – von wem auch immer – als Treffpunkt bestimmt worden. Strauß behauptete später in seinen Erinnerungen, die Initiative wäre von Schalck ausgegangen: Ein Unterhändler Honeckers habe ihn sprechen wollen. Schalck hingegen war von März gesagt worden, dass Strauß ihn zu sprechen wünschte. Es steht zu vermuten, dass März es Strauß so und Schalck so erzählt hat, mithin: Er hatte beide zweckdienlich belogen. Und darum liegt der Schluss nahe, dass Josef März auch den Ort der Begegnung festgelegt hatte.
    Strauß schwebte mit einem Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes ein; er kam aus Nürnberg, wo sein Sohn Franz Georg bei der Bundeswehr vereidigt worden war.
    Das Gespräch, nur von einer Brotzeit unterbrochen, endete vor Mitternacht. Schalck traf erst am Morgen in Berlin ein, wo er ein Gedächtnisprotokoll zu Papier brachte und 9 Uhr, im Beisein von Mittag, Honecker persönlich berichtete.
    Strauß hatte sich in der stundenlangen Begegnung nicht nur als glänzender Unterhalter gezeigt und Schalck zum Zuhören verdammt, er war auch ein brillanter Taktiker. Denn als nach dem Austausch von Höflichkeiten der Berliner Emissär gleich zur Sache kommen wollte, wechselte der Münchner Profi sofort das Thema. Statt über Geld wollte der ehemalige Oberleutnant der Wehrmacht über die akute Kriegsgefahr reden, die von der Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in West-und in Osteuropa ausging, und die Frage klären, welchen Beitrag
die Deutschen
zur Verhinderung einer nuklearen Katastrophe leisten könnten. Denn nach einem möglichen Krieg würde von beiden Staaten nichts mehr übrig sein.
    Der konservative Antikommunist gab dem Kommunisten aus der DDR zu verstehen, dass man sich in dieser existenziellen Frage absolut einig war: Von deutschem Boden darf kein Krieg ausgehen! Mit Gewalt ließen sich keine Probleme lösen, im Großen wie auch an der Grenze. Und außerdem, so der dialektisch versierte und historisch bewanderte Strauß, könne der Kapitalismus nur im Frieden seine Überlegenheit beweisen.
    Irgendwann im Laufe des Abends war man dann doch zur Sache gekommen. Der Kredit sollte in zwei Teilen zu je 500 Millionen D-Mark von einem Bankenkonsortium an die Außenhandelsbank der DDR überwiesen werden. Darüber werde er, so Strauß, schon in vierzehn Tagen mit Kohl sprechen und entscheiden. Im Gegenzug – er verwies darauf ausdrücklich, dass dies kein Junktim sei, zumal er diplomatisch im Bilde war, dass eine solche Verknüpfung wirtschaftlicher und politischer Fragen für die DDR unannehmbar sein würde – regte Strauß an, dass

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