Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
nationalen Wirtschaft nicht so gut lief, weshalb sich der Staat was pumpen musste. Das war eine Spirale, die abwärts führte.
KoKo, die Devisen-Feuerwehr, vermochte zwar kurzfristig und bisweilen mit kuriosen Geschäften – etwa dem Verkauf mehrerer Kilometer Straßenpflaster oder von Nachgeburten an Kosmetikkonzerne, die aus der Plazenta teure Hautcremes herstellten –, akute Engpässe zu beheben. Mit den KoKo unterstellten Außenhandelsbetrieben erwirtschaftete Schalck-Golodkowski im statistischen Jahresdurchschnitt etwas über eine Milliarde D-Mark, tatsächlich waren es in den 80er Jahren um die drei Milliarden pro Jahr oder gar darüber. Was nicht wenig war – aber eben nur Teil der Zins-und Kredittilgung der ganzen DDR. Womit angedeutet ist: KoKo bewegte gewiss viel, aber eben nicht alles.
Dass sich die DDR immer mehr auf dem Weltmarkt orientieren musste – mit allen negativen Folgen: von Abhängigkeiten bis hin zu überteuerten Importen – lag auch daran, dass die Verbündeten, allen voran die Sowjetunion, oft ihren Verpflichtungen nicht nachkamen. Vereinbarte Lieferungen blieben aus oder erfolgten verspätet, sie kamen in ungenügender Qualität oder nicht in der zugesagten Menge. So drosselte die Sowjetunion bisweilen ihre Erdöllieferungen, weil sie Probleme mit der Förderung hatte oder verschnupft darauf reagierte, dass die daraus in der DDR gefertigten Produkte im Westen verkauft wurden. So kam etwa ein Großteil des in Westberlin verkauften Kraftstoffs aus Schwedt an der Oder, in den dortigen Raffinerien wurde das Öl aus der »Trasse der Freundschaft« tiefer gespalten und höher veredelt. Ausbleibende Lieferungen aber zwangen die DDR, auf dem Weltmarkt und gegen Devisen das Defizit auszugleichen. Zudem nahmen auch die Aufwendungen zur Erschließung eigener Energieressourcen zu: Die Deckgebirge in den Braunkohletagebauen wurden immer höher, es musste immer mehr Abraum bewegt werden, dabei wurden die Kohleflöze immer geringer wie auch die Energieeffizienz der Kohle selbst.
Schalck-Golodkowski war sich dieser komplexen Zusammenhänge sehr wohl bewusst, sie trieben ihn geradezu um. Dabei motivierten ihn weder Geltungssucht noch persönlicher Ehrgeiz, er war kein Mann, der gern in der Öffentlichkeit agierte, sich im Scheinwerferlicht sonnte, weshalb es auch nur wenige Protokollbilder gibt, auf denen er zu sehen ist. Schalck-Golodkowski ging es um die DDR, um diesen sozialistischen Gesellschaftsentwurf, den er unverändert und trotz aller erkennbaren Macken und Fehler für die bessere Alternative zum Kapitalismus hielt. Dass er dabei das Leistungsprinzip als auch für ihn gültig akzeptierte, kritisierten später nur jene, die ihm politisch an die Karre fahren wollten oder keine Ahnung hatten, dass die privaten Zugewinne des KoKo-Chefs lächerlich gering waren gemessen an dem, was er mit seinen Unternehmen erwirtschaftete.
Schalck-Golodkowski wollte, dass die DDR blieb, und dafür machte sich der große Mann mitunter klein und krumm. Aber er verbog sich nicht ideologisch.
Daher musste es ihn sehr verwundern, als er auf der Leipziger Messe von Josef März signalisiert bekam, dass Strauß ihn zu sprechen wünsche. Der bayerische Unternehmer machte nicht nur in Fleisch und Käse, sondern war auch Schatzmeister der CSU in Oberbayern, zudem war er der Vizechef des Wirtschaftsbeirates seiner Partei und im Beirat der Berliner Bank. Schalck kannte ihn aus vielen Gesprächen als seriösen, verlässlichen Geschäftsmann, man vertraute sich wechselseitig. Insofern waren März die Nöte der DDR durchaus gewärtig, und er entwickelte eine Idee, wie der DDR mit einer Milliarde aus der Klemme geholfen werden sollte. Ein Bankenkonsortium sollte die Summe aufbringen, für die die Bundesregierung bürgen würde, und als Sicherheit könnte die DDR die Transitpauschale einsetzen, jenen Betrag, denn Bonn alljährlich für die Benutzung der drei Autobahnen zwischen dem Bundesgebiet und Westberlin überwies: Das waren knapp eine Milliarde D-Mark. Strauß wäre bei diesem Deal die Schlüsselfigur, und mit dem müsse er reden. Und Strauß wolle mit ihm reden.
Honecker stimmte einem Treffen Schalcks mit Strauß zu, um die Offerte von März auszuloten. Auf Strauß war Honecker aktuell nicht gut zu sprechen, weshalb er nur widerwillig sein Placet gab. Der Bajuware hatte den propagandistischen Nebel geliefert, weshalb Honecker die Einladung von Schmidt zum Gegenbesuch in der Bundesrepublik, die der inzwischen regierende
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