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Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
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– immerhin hatten sie sechs Jahre intensiv informell zusammengearbeitet und im Hintergrund viele nützliche Verabredungen und Vereinbarungen vorbereitet. Vor allem war es die offene Atmosphäre und die verbindliche, verlässliche Art. Gaus hatte Witz und Charme, war überdurchschnittlich intelligent und darum frei von antikommunistischen Ressentiments und anderen ideologisch motivierten Verblendungen. Bölling hingegen war offenkundig Antikommunist, die Gespräche verliefen sehr förmlich und schienen ihm später peinlich, dass es sie überhaupt gegeben hatte. Im sogenannten Schalck-Untersuchungsausschuss des Bundestages vermochte er sich nur noch an wenige Gespräche mit Honeckers Unterhändler zu erinnern. Aus den Unterlagen des Bundeskanzleramtes ging jedoch hervor, dass beide im Auftrage ihrer Chefs während Böllings fünfzehn Monaten diplomatischer Tätigkeit in der DDR-Hauptstadt auch mindestens fünfzehn Mal zusammengesessen und konspirativ verhandelt hatten.
    Es kamen in jener Zeit, wen überrascht das, keine wichtigen Vereinbarungen und Abkommen zustande. Nun könnte man entschuldigend einwenden: weil Böllings Vorgänger Gaus sehr fleißig war und ordentliche Arbeit geleistet hatte, blieb nicht mehr viel zu tun. Das allein aber war es nicht. Bölling musste, wie es in der Jägersprache heißt, wie ein Hund zum Jagen getragen werden. Der ehemalige Regierungssprecher interessierte sich mehr für die »große Politik«, weniger für die Kärrnerarbeit im Maschinenraum; er werde und wolle nicht die Tätigkeit der Experten übernehmen, erklärte er Schalck zu Beginn der Kontakte, deren informellen, konspirativen Charakter – im Unterschied zu seinem Vorgänger und anderen westdeutschen und Westberliner Politikern – er erkennbar nicht schätzte.
    Aber immerhin fiel in Böllings Amtszeit der Besuch des Bundeskanzlers in der DDR im Dezember 1981, wo es sich nicht vermeiden ließ, dass zuvor Bölling und Schalck die Köpfe zusammensteckten.
    Und als bleibendes Zeichen seiner Anwesenheit können auch die acht Schinkelfiguren auf der Marx-Engels-Brücke gelten, die im Frühjahr 1981 aus Westberlin an ihren angestammten Platz zurückkehrten. Das hatten Schalck und Bölling auch auf den Weg gebracht, woran man sich beim heutigen Gang über die Schlossbrücke dankbar erinnern sollte.

Schalck und Strauß
    Die Leipziger Messe war die zentrale Schaltstelle für den Ost-West-Verkehr nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Das begründete das große Interesse der DDR an dieser traditionsreichen Einrichtung. Vor über acht Jahrhunderten schon kamen Kaufleute an der Kreuzung der Via Regia, dem Handelsweg vom Rhein nach Osteuropa, und der von Italien zur Ostsee führenden Via Imperii zusammen. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, am 8. Mai 1946, stimmte die sowjetische Besatzungsmacht der Ausrichtung der ersten Nachkriegs-Messe zu. Alle Versuche im Kalten Krieg, Leipzig als wichtigster Ost-West-Drehscheibe das Wasser abzugraben, führten nicht zum Erfolg. Die Hannovermesse gewann nie die politische Bedeutung, die Leipzig seit dem Krieg besaß, die sie aber folgerichtig nach dem Ende des Ostblocks verlor.
    Alexander Schalck-Golodkowski erhielt in Leipzig seine Feuertaufe als Ost-West-Unterhändler in den 60er Jahren, und in den frühen 80er Jahren erfuhr seine konspirative Tätigkeit zur materiellen und friedenspolitischen Existenzsicherung der DDR dort einen merklichen Qualitätssprung. Die Verlagerung hatte nur bedingt etwas mit dem Bedeutungsverlust des Ständigen Vertreters in Berlin zu tun, nachdem Günter Gaus die Diensträume in der Hannoverschen Straße geräumt hatte. Im Anschluss an Böllings Gastspiel von einem reichlichen Jahr übernahm nach dem Regierungswechsel in Bonn Hans Otto Bräutigam, ein Diplomat der alten Schule, die Geschäfte. Er führte sie professionell und präzise weiter, ein korrekter Beamter. Aber eben ein Staatsdiener, der das erledigte, was man ihm auftrug. Im Sommer 1984 endete diese Verbindung, eben weil es einen Schwerpunktwechsel in des Wortes doppelter Bedeutung gab. An die Stelle des hochgewachsenen, hageren Bräutigams trat der barocke bayerische Ministerpräsident.
    Franz Josef Strauß, Jahrgang 1915, gehörte bis Ende der 60er Jahre der Bundesregierung an. Er war unter Adenauer Bundesminister für besondere Aufgaben, dann für Atomfragen, schließlich Verteidigungsminister. In der Großen Koalition unter Kiesinger war er für die Finanzen verantwortlich. 1980 hoffte er bei der

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