Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
der absoluten Herrschaft finsterer Popen verbunden. Was geschah, war im Grunde recht einfach: Die Popen benutzten die Kunst einfach, um die Menschen zu überzeugen, daß sie ins Denken anderer Leute sehen konnten, ja, daß sie in deren Bewußtsein eindringen und schließlich die Gewalt darüber übernehmen konnten. Und wie die Menschen nun einmal sind, glaubten sie ihren Priestern. »Seelenjägerei« war folglich eine nützliche Lüge, ein politisches Werkzeug aus einer schlichten menschlichen Besonderheit, die nicht außergewöhnlicher war, als wenn Menschen ein braunes und ein blaues Auge besaßen. So behaupten die Historiker.
    Die Priester der Vier Schutzgötter sagen: Seelenjägerei war real existent, doch das Geschichtendarbieten gehört nicht dazu. Die alten Popen drangen in das Denken der Menschen ein, und in ihrer Gnade kamen die Vier Schutzgötter auf die Welt und predigten, daß Denken und Körper ihr Eigentum waren und deshalb nicht Gegenstand fremder Besetzung werden durften. Doch das Geschichtenspielen macht sich nur den Geist des Geschichtenspielers selbst zunutze. Folglich stellt es keine Sünde dar. Geschichtenspielen ist ein unbedeutender Zeitvertreib. So sagen die Priester.
    Die Geschichtenspieler sagen: Treibe dein Honorar ein, ehe du mit der Vorführung beginnst.
    Seelenjägerei? Ich hätte lachen müssen, wäre da nicht der Ernst des törichten Mädchens gewesen, das neben mir Federn rupfte. Und wäre da nicht das gewesen, was von Brant am vorangegangenen Abend vollbracht worden war: Er hatte einen Teil meines Denkens, nicht des seinen materialisiert. Und wären im Hof nicht die beiden geschundenen Leichname gehangen.
    Ich fragte Ludie so beiläufig, wie ich nur konnte, nach ihnen und spielte die verängstigte und neugierige Außenstehende.
    Kummer trat in ihr rundliches Gesicht. »Es waren geheime Seelenjäger. In der Hütte wurde ein Altar gefunden und dahinter ein Garten mit fremden, wunderlichen Pflanzen, mit denen sich Zaubertränke zur Betäubung des Bewußtseins anfertigen lassen sollen, sagt meine Mutter. Cul, all das schmutzige Zeug, das sie in der Hütte fanden. Das ganze widerliche Zeug!«
    »Wer fand das alles in der Hütte? Wer sind ›sie‹?«
    »Na, sie!« antwortete Ludie, und aus ihrer Stimme klang die Unbestimmtheit all derer, die die Macht nur aus weiter Ferne sehen. »Die die Hütte im Namen der Priester gesucht hatten.«
    »Demnach befand sich die Hütte nicht in der Nähe des Palastes?«
    »In der Nähe des Palastes?« Sie starrte mich einen Augenblick lang verwundert mit einer Feder in der Hand an. »Kein Seelenjäger wagt es, in Hütten in der Umgebung von König Rofdals Palast zu leben!«
    »Nein«, sagte ich hastig. »Natürlich nicht. Nur in weit abgelegenen Hütten.«
    Es trat eine kurze Gesprächspause ein. »Da war diese Zofe«, meinte Ludie dann unvermittelt. »Von Königin Janore. Aber die kam wirklich von einem weit entfernten Ort. Sie stammte nicht aus der Umgebung des Palastes. Sie kam wirklich aus einem weit entfernten Ort.«
    Sie dachte nach; das wollte ich lieber nicht. Um sie vom ersten Thema abzulenken, fiel mir die Frage ein: »Stammt Lord Brant von einem weit entfernten Ort?«
    »Cul, ja! Sieht der nicht gut aus? Nicht, daß ich ihn für schöner halte als den König, natürlich – der König hat besser gebaute Beine. Hast du mal die Beine des Königs gesehen?«
    Ich grunzte vage, weil ich mir nicht sicher war, ob es klug oder unklug war, die Beine des Königs bemerkt zu haben.
    »Das sind Beine!« seufzte Ludie so zufrieden, als ginge es um ihre eigenen. »Lord Brant stammt irgendwoher aus dem Norden, ich habe den Namen vergessen, jedenfalls vom Norden. Aber er reist nicht oft dorthin. Er ist mit König Rofdals angeheirateter Cousine verheiratet.«
    Ich erschrak. »Mit Königin Leonores Cousine?«
    »Cul, nein! Mit einer Cousine der ersten Königin, die Vier Schutzgötter mögen sie niemals vergessen. Aber Lady Cynda ist viel jünger als die arme tote Königin wäre. Sie war gleichaltrig mit dem König. Nicht, daß der König alt wäre, das ist er noch nicht. Nicht mit diesen Beinen.«
    Brant hatte in ein Königshaus eingeheiratet. Es war ein abgelegenes, jämmerliches, provinzielles Königshaus, aber eben trotzdem ein Königshaus. Irgend etwas krampfte sich unter meinem Herzen zusammen, und ich zupfte schneller an den Hühnerfedern. Um mir selbst zu beweisen, wie albern der Klumpen in meiner Kehle war, fragte ich: »Hat er Erben?«
    Aber Ludie meinte,

Weitere Kostenlose Bücher